Bürger-Ausspähung vorbei an der Öffentlichkeit
Zu deren Direktor wurde Ikka Salmi nominiert, dessen Namen seitdem nicht mehr in den Medien auftauchte. Selbst als vor kurzem Politiker im Zuge des BRD-Spionage-Skandals für mehr nachrichtendienstliche Koordination auf europäischer Ebene plädierten, erinnerte sich niemand an den Ex-Chef des finnischen Geheimdienstes, zu dessen Aufgaben die Abstimmung von mehr als 20 Inlandsspionagediensten aus EU-Mitgliedsländern gehört.
Ungeachtet des
aktuellen BND/NSA-Skandals schreitet unter Mitwirkung des BND der Aufbau eines
EU-weiten Geheimdienstes voran. Schon
2010 wurde die europäische
Spionage-Agentur Joint Situation Centre (SitCen) in Brüssel von der damaligen EU-Aussenbeauftragten
Catherine Ashton weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit in den Europäischen
Auswärtigen Dienst (EEAS) eingegliedert.
SitCen unbehelligt im Zuge des BND-SkandalsZu deren Direktor wurde Ikka Salmi nominiert, dessen Namen seitdem nicht mehr in den Medien auftauchte. Selbst als vor kurzem Politiker im Zuge des BRD-Spionage-Skandals für mehr nachrichtendienstliche Koordination auf europäischer Ebene plädierten, erinnerte sich niemand an den Ex-Chef des finnischen Geheimdienstes, zu dessen Aufgaben die Abstimmung von mehr als 20 Inlandsspionagediensten aus EU-Mitgliedsländern gehört.
Gegründet für mehr Unabhängigkeit
von USA
SitCen wurde Mitte der 90er Jahre gegründet, um Europa mehr
Handlungsspielraum gegenüber den US-Geheimdiensten zu geben. Im Zuge der
Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik brauche
Europa auch einen gemeinsamen Nachrichtendienst, hieß es 1996 in der Zeitschrift
“Internationale Politik”. Proteste aus den USA suchte die damalige Kohl-Regierung
durch Bekenntnisse zur transatlantischen Partnerschaft zu mildern. Erster Chef
von SitCen wurde der US-freundliche Brite William Shapcott. Noch 2001 musste
Berlin den als Nachfolger vorgesehenen CDU-Politiker, Christoph Heusgen, der übrigens
Mitglied in der “Atlantik Brücke” ist, zurückziehen.
110 Spione
arbeiten rund um die Uhr
Heute tauschen sich bei SitCen in sogenannten Zellen rund um die Uhr
Auslandsgeheimdienste u.a. aus Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien,
den Niederlanden, Schweden und eben auch der BND gegenseitig über Erkenntnisse
und darauf basierende Schlussfolgerungen nebst Handlungsempfehlungen aus. 110
Mitarbeiter versorgen das Kabinett der amtierenden EU-Aussenministerin Federica
Mogherini sowie weitere hochrangige EU-Repräsentaten mit Berichten zur
mittelfristigen Entwicklung der innereuropäischen Sicherheitssituation. Zu ihren Aufgaben gehören
die Beurteilung möglicher Bedrohungen des öffentlichen Transportsektors oder der
Infrastruktur genauso wie die Identifizierung von Trends in Sachen Terror-Finanzierung.
20
Inlandsgeheimdienste spähen Bürger aus
Jedes Jahr wirft SitCen rund 200 Situations- sowie 50
Spezial-Berichte oder Briefings aus, die auf geheimen Papieren von mehr
als 20 Inlandsgeheimdiensten basieren. Darüber hinaus liefern der Europäische
Rat, die Kommission sowie EU-Delegationen Stoff, der mit öffentlich zugänglichen
Nachrichten aus On- und Offline-Medien abgeglichen wird. Es gilt zudem als
sicher, dass SitCen Material über Interventionen von Polizeien und
Streitkräften in EU-Staaten sammelt und auswertet. Ziel ist die europäische
Bevölkerung. Dabei stehen besonders Demonstrationen, politische Kungebungen sowie
Vereine oder Parteien, Kirchen und so fort im Fokus. Mit anderen Worten: SitCen
späht europaweit die Partizipation der Bürger am Prozess der öffentlichen
Meinungsbildung aus.
Keine parlamentarische Kontrolle
Nur wenige Dokumente sind öffentlich, darunter eines aus dem
Jahr 2001. Es trägt den Titel “Vorschläge für ein kohärentes und verständliches
Krisen-Management in der EU”. Darin
heisst es nebulös, dass SitCen in normalen Zeiten internationale Entwicklungen
beobachtet, Frühwarnung betreibt und über die Ergebnisse berechtigte
EU-Institutionen infomiere. In Krisenzeiten würden zusätzlich Verschlusssachen aus den Mitgliedsstaaten bereitgestellt.
Zwar bemüht sich
das Europaparlament in Sachen SitCen seit Jahren um mehr Transparenz, doch bis
heute entzieht sich die Spionage-Agentur jeglicher parlamentarischen Kontrolle.
Festzustehen scheint jedoch, dass sie Erkenntnisse (noch) nicht aus eigenen (verdeckten)
Operationen gewinnt. Für Experten ist es aber nur eine Frage der Zeit, dass der
nachrichtendienstliche Service-Provider beim EEAS mit weiterreichenden Kompetenzen
ausgestattet werden wird.
Kritiker sprechen von „europäischer CIA“
Schon vor längerem
warnten Kritiker wie der britische Think Tank „Open Europe“ vor einer
"europäischen CIA". Der Ausbau zu einem regulären europäischen Geheimdienst
sei die Konsequenz des systematischen deutsch-europäischen Strebens nach
machtvoller Einflussnahme in globalem Maßstab, durch eine auf Spionage
fundierte und im Zweifelsfall zum Rückgriff auf Gewalt bereite Außen- und
Militärpolitik.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen