Donnerstag, 30. April 2015

Deutschlands Schattenregierung - Wie die "Atlantik Brücke" die deutsche Politik bestimmt - Serie Teil 1

Politiker, Technokraten und Medien treiben in semigeheimen US-Pressuregroups wie der "Atlantik-Brücke" den Aufbau einer Allianz der größten kapitalistischen Staaten auf Kosten von Demokratie und Frieden voran - der EU-Superstaat wird Realität, der deutsche Nationalstaat abgeschafft.

Euro-Rettungspolitik, NSA-Skandal und Ukraine-Krise, TTIP-Affäre sowie Zentralisierung und Militarisierung der EU - im Schulterschluss mit der BRD setzen die USA Abkommen um Abkommen eine ihren Interessen gemässe politische Ordnung globalen Anspruchs in die Realität um. Doch anstatt Debatten über aktuelle Themen, Krisen oder Skandale zu führen, erklärt die Bundeskanzlerin, sie wolle mit den Deutschen über das gute Leben diskutieren.

Demnach ist es Merkels Absicht, die Bürger nicht über die angespannte internationale politische Großwetterlage zu informieren - wie es  Rechenschafts-Pflicht der Kanzlerin wäre, sondern diese über Fragen zu ihrer persönlichen Befindlichkeit in der BRD zu sedieren.   

ZDF hat neues Kompetenzfeld 

Und wie reagieren die Medien?  Anstatt zu kritisieren, schreiben sie heute dort schön, wo sie früher Skandale enthüllen und ihre konstituierende Funktion in einer Demokratie als Watchdog wahrnehmen konnten. Allen voran der öffentlich-rechtliche Sender ZDF hat ein neues Kompetenzfeld besetzt: Er lässt sich quasi im Gegenzug für üppige Gebührenfinanzierung zum Wegbereiter einer Politik degradieren, die Positionen nicht mehr in parlamentarischen Debatten formuliert, sondern in Exklusivzirkeln mit semigeheimer Struktur.

Für den Mainstream in Sachen USA hierzulande maßgeblich veranwtortlich ist der Berliner Transatlantik Think Tank "Atlantik-Brücke" (AB). Die Gründung des deutschen Ablegers der US-Organisation übernahm 1952 Eric M. Warburg, um deutschen und amerikanischen Führungskräften eine Plattform für einem vertraulichen Dialog über außen-, sicherheits-, wirtschafts- und innenpolitische Fragen zu bieten.  Zum Verständnis: Erics Großvater Paul, Sprößling einer deutsch-jüdischen Familie, unterzeichnete 1913 neben weiteren Bankern sowie Präsident Woodrow Wilson den Federal Reserve Act, das Gesetz also, mit dem private Banken unter der Abürzung FED als Notenbank für die USA tätig werden konnten.

Nepotismus pur

Die AB-Mitgliedschaft kann nur auf Empfehlung und Kooption durch den Vorstand erfolgen. So wird garantiert, dass man unter Gleichgesinnten bleibt, ganz wie es dem Charakter von Elitezirkeln nun einmal entspricht. In mehr als 60 Jahren seit Bestehen ist der Verein zu einer der mächtigsten Pressuregroups der BRD herangereift. Ein Blick auf die Mitgliederliste zeigt, wie weit die Grenzen zwischen Wirtschaft, Politik und Medien bereits verschwommen sind.

Da stehen ex- und amtierende Politiker aller Parteien (bis auf die Linken) neben dem Leiter der ZDF-Redaktion Außen- und Innenpolitik, Theo Koll, sowie ZDF-Anchorman, Claus Kleber, der auch Kuratoriumsmitglied ist. Zu Kai Diekmann, Chefredakteur der auflagenstärksten Boulevard-Zeitung Europas, BILD, gesellte sich lange Zeit Josef Joffe, der als Herausgeber des Wochenblatts “Die Zeit” auch aktiv in politisch verwandten Vereinen ist, wie etwa der American Academy in Berlin oder dem Congress of Cultural Freedom (CCF).

Einen Schatten auf den Zirkel wift, dass unter den Mitgliedern rechtskräftig verurteilte Rüstungslobbyisten wie Karl Heinz Schreiber und Dieter Holzer sowie die Doktortitelfälscher Silvana Koch-Mehrin und Karl-Theodor zu Guttenberg auftauchen. Dies wird aber wettgemacht durch Edelgard Bulmahn (SPD), Bundesministerin a.D. und stellvertretende AB-Vorsitzende, Eckhardt von Klaeden (CDU), Ex-Staatsminister und heutiger Chef der Abteilung Politik und Außenbeziehungen der Daimler AG, Katrin Göring Eckardt, die Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und so fort. Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel sowie Altbundeskanzler Helmut Schmidt sind gewissermaßen Sahnehäubchen auf dem Mitgliederkuchen.

Politisches Agenda Setting

Nun kann niemand etwas dagegen haben, dass ein Verein “die transatlatische Partnerschaft” stärken will. Und so legt AB-Chef Friedrich Merz (CDU) zunächst Wert darauf, Meinungsbildung nach innen zu betreiben. Er untertreibt. Denn es ist kaum zu behaupten, dass allein die mediale Präsenz von Helmut Schmidt und seine Herausgeberfunktion bei “Die Zeit”, keinen Einfluss auf das Setzen oder die Diskussion politischer Themen und so auf die öffentliche Meinungsbildung im Lande hätte. 

Ein anderes Beispiel wirft die Frage auf, ob AB-Mitglieder in ZDF-Führungspositionen stets klare Trennlinien zwischen Beruf und Vereins-Engagement ziehen. Es geht um den Skandal in der Show „Deutschlands Beste“ in dem mit rund 1,8 Milliarden Euro Gebührengeldern finanzierten ZDF. So zeigte sich im letzten Herbst, dass sich die Redaktion nicht etwa an Umfrage-Ergebnisse darüber hielt, wer denn die bedeutendsten und beliebtesten Deutschen seien, sondern fingierte. Wer hatte tatsächlich die Finger im Spiel, so dass die AB-Mitglieder Angela Merkel und Helmut Schmidt, die Hitliste der beliebtesten Deutsche anführen konnten? ZDF-Star Kleber zeigt sich überrascht und ließ per Twitter vernehmen: „ ZDF-Ranking-Show Deutschlands Beste hat manipuliert. Unfassbar!”

Fortsetzung folgt

Der Fake Faktor - Im Sommerloch

Donnerstag, 23. Mai 1996

Es ist notabene nicht im Interesse Borns, dass seine Affäre im Frühsommer durch Schlagzeilen anderer Aktualitäten abgelöst und in den Hintergrund gedrängt wird. Daher arbeiten Born und sein Anwalt wie besessen daran, die Medien weiterhin für den Fall zu interessieren. Die Taktik: die öffentliche Meinung zu Gunsten des Häftlings in Untersuchungshaft zu beeinflussen. Sie haben Erfolg: Ende Mai beginnt für stern TV wegen einer Vorabmeldung der Münchner Zeitschrift Playboy eine neue Zitterpartie. In einer mehrseitigen Erklärung stellt Born das Magazin als Mitwisser hin. Sofort zitiert AP aus dem Beitrag:

„Es ist (...) heuchlerisch, wenn all die Redakteure und Verantwortlichen jetzt aufschreien und überrumpelt tun. Denn ich (...) habe lediglich praktiziert, was diese Leute, von denen ich (...) finanziell abhängig war, gewollt und oft nicht nur stillschweigend geduldet haben.“ (...) Ein Redakteur von stern TV habe ihn bereits bei seinem ersten „faulen Beitrag“ auf gewisse Ungereimtheiten im Rohmaterial hingewiesen."

Mit dieser Meldung ist die nächste Runde im Rennen um Schlagzeilen eröffnet. Wieder versucht Born, das Magazin vor sich herzutreiben. Diesmal allerdings wehrt es sich vehement und geht mit einer drastischen Presseerklärung in die Offensive: 

"Als „absurdes Sammelsurium unwahrer Schutzbehauptungen“ hat stern TV die Anschuldigungen von TV-Fälscher Michael Born zurückgewiesen, stern TV-Mitarbeiter hätten von seinem Betrug gewusst. (...) stern TV-Chefredakteur Andreas Zaik (...) betonte, dass er das nötige Geschick und die kriminelle Energie habe, „um Kollegen und Öffentlichkeit in die Irre zu führen.“

Die Abwehrmaßnahme hat Erfolg: Nur einzelne Tageszeitungen berichten über Borns Anfeindungen im Playboy. Zeitgleich erhält stern TV-Anwalt Seibert den Auftrag, auf juristischem Wege gegen die Behauptungen vorzugehen.

Mittwoch, 26. Juni 1996

Dann der Haftprüfungstermin am Oberlandesgericht Koblenz: Zwar sehen zu diesem Zeitpunkt bereits Gericht und Staatsanwaltschaft Koblenz die „uneingeschränkte Glaubwürdigkeit der Redaktionen“ als fraglich an. Sie gehen aber nicht so weit, eine Mittäterschaft der Redaktionen zu behaupten. Die Staatsanwaltschaft Koblenz erhebt Anklage gegen den mutmaßlichen TV-Fälscher. Danach legt sich das Sommerloch über Deutschland.

Mittwoch, 18. Juli 1996

Ein Bundesland nach dem nächsten startet in die Ferien. Jauch moderiert die letzte Ausgabe seines Magazins vor der Sommerpause. An diesem Tag erzielt die Redaktion dann einen ersten Punktsieg gegen Born: Das Landgericht Köln untersagt ihm und dem Playboy in einer einstweiligen Verfügung, insgesamt dreizehn unzutreffende Behauptungen weiter aufzustellen.

Mit halbwegs guter Laune - auch die Klage von Ikea konnte zwischenzeitlich abgewendet werden - begibt sich die Redaktion bis August in die Sommerpause und Jauch auf die Reise zu den Olympischen Sommerspielen in Altanta - seinem letzten großen Engagement für das ZDF.

Born wäre nicht er selbst, würde er nicht alles daransetzen, dass das Thema bei den Medien auf der Agenda bleibt. Er entschließt sich, Ende Juli aus der Justizvollzugsanstalt heraus Strafanzeige gegen Zaik sowie den stellvertretenden Chefredakteur des Münchener Senders Pro 7, Michael von Dessauer, zu stellen. Darin wirft Born den beiden Journalisten „Betrug zum Nachteil von Fernsehanstalten“ vor, da sie von Manipulationen an Beiträgen gewusst, die Ausstrahlung aber nicht verhindert hätten.  

Doch obwohl er Beschuldigungen aus allen Rohren feuert, geht seine Taktik dieses Mal nicht auf. Zwar ist nachrichtenärmste Zeit des Jahres, aber es soll bis kurz vor Prozessbeginn dauern, bis andere Medien von Borns Strafanzeigen Wind bekommen und darauf einsteigen. Born gerät zunehmend ins Abseits. Selbst Freunde, mit denen er jahrelang in seinen manipulierten Beiträgen zusammenarbeitete und die deswegen bald mit ihm auf der Anklagebank sitzen werden, lassen den TV-Kujau fallen. Sie entwerfen ihre eigenen Strategien zur Verteidigung und suchen Distanz. Isoliert stellt Born Strafanzeigen gegen Mittäter, die früher seine Helfer waren.

Montag, 5. August 1996

Und was passiert bei stern TV? Die Redaktion bereitet eine Jubiläumssendung vor und feiert am 28. August die 300. Ausgabe. Das per PR-Mitteilung angekündigte Jubiläum stößt auf eine große, aber zugleich kritische Resonanz in der Presse. Es bleibt indes charakteristisch für den Umgang von stern TV mit dem Skandal - zugegeben dem unrühmlichsten Kapitel in der langjährigen Geschichte des Magazins -, dass er auch in der Jubiläumssendung schlicht und ergreifend keine Rolle spielt.

Dabei hätte Jauch reinen Tisch über die mehr oder weniger subtil gefertigten Fälschungen machen können. Die Anklageschrift liegt vor. Warum nutzt er nicht die Gelegenheit, zu einer Zeit, in der auch in den Redaktionsstuben sommerlicher Müßiggang vorherrscht, den ersten von Born im Frühjahr 1991 angekauften Beitrag über Diebesbanden, die angeblich Häuser in den neuen Bundesländern ausplündern, als Totalfälschung zu bedauern?

Was hält ihn davon ab, klarzustellen, dass der angebliche Drogenkurier, den ein Film im September 1992  beim Schmuggel von Kokain aus Deutschland in die Schweiz zeigt, tatsächlich ein bezahlter Born-Statist und die angebliche Droge Puderzucker war? Wieso erwähnt der Moderator nicht, dass das Bildmaterial in dem Beitrag aus Bethlehem, der im Oktober 1992 die Situation im Heiligen Land vor Weihnachten darstellte, nicht ganz koscher war? Oder dass Born im Juni 1993 ein Interview in einem Film über Umweltschäden durch eine Lahnsteiner Chemiefabrik keineswegs mit einer vorbeikommenden Spaziergängerin führte, sondern mit einer seiner Bekannten inszenierte?

 
 
 
 
 
Versalzenes Jubiläum - richtig Lust zum Feiern dürfte Günther Jauch zur 300. Magazin-Ausgabe angesichts schwelenden Skandals und bevorstehenden Prozesses im Herbst nicht gehabt haben.  


 

Wieso klärt er sein Publikum nicht auf, dass Born die angebliche Herstellung einer Bombe in einem im Juni 1994 angekauften Beitrag über Bombenbastler der kurdischen Arbeiterpartei PKK in den Räumen eines Asylbewerberwohnheims in Koblenz drehte, der Sprengstoff aus Fensterkitt in einer Marlboroschachtel bestand und die Außenaufnahmen nicht etwa in der Türkei, sondern mit albanischen Tagelöhnern in Griechenland gedreht wurden?
 
Und warum informiert der ehemalige Chefredakteur seine Zuschauer nicht darüber, dass auch Teile des im Oktober 1994 unter dem Titel „Drogenkröte“ ausgestrahlten Beitrags, in dem ein angeblich Betäubungsmittelabhängiger das halluzinogene Sekret der „Colorado-Kröte“ zu sich nimmt, Humbug waren?
 
Präjudizierend wären all diese Eingeständnisse in eigener Sache nicht gewesen. Jauch hätte zwar Schwachstellen in seiner Redaktion einräumen müssen. Doch Selbstkritik mit dem Ziel, verloren gegangene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, zählt, wie bereits nachzulesen war, nicht zu den herausragenden Qualitäten des Starmoderators.
 
Nach der Rückkehr von den Olympischen Sommerspielen in Atlanta lässt er sich in der Jubiläumsausgabe von Co-Moderatorin Amelie Fried vertreten. In der Redaktion legt die Sommerhitze den Elan für journalistische Höchstleistungen lahm: Ob „Probleme der Bahn beim Nachtexpress“ oder „gefährlicher Wrack-Tourismus in der Ostsee“ - die Jubiläumssendung bietet thematisch Altbekanntes. 
 
Freitag, 30. August 1996
 
Zum groß angekündigten Jubiläum hätte man mehr erwarten können, so der Tenor des von der Sendung enttäuschten Kritikers der Westdeutsche Allgemeinen Zeitung zwei Tage später:
 
"Bleibt der Beitrag über Kinderpornografie: Früher, bevor die Sache mit „stern TV“-Mitarbeiter und Fälscher Michael Born herauskam, hätte ich dem Beitrag mehr getraut. Reporter konfrontieren die Besteller von Kinderporno-Kassetten mit ihren Aufträgen und zeichneten selbst noch Gespräche mit den Eltern Pädophiler auf. Da kommen mir Zweifel."
 
Die Zeilen beweisen: Der Skandal schwelt weiter, im Kollegenkreis haben sich generelle Zweifel an der Authentizität der stern TV-Beiträge festgesetzt. Eine alarmierende Entwicklung kurze Zeit vor Beginn des Medienprozesses des Jahres.

 

Freitag, 24. April 2015

Der Fake Faktor - Der TV-Kujau Michael Born

Der Moment ist günstig, um die Person Michael Born, der es gelang, stern TV in kürzester Zeit so ungemein ins Straucheln zu bringen, vorzustellen: Hans-Michael Born, zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung 37 Jahre alt, einmal geschieden und Vater dreier Kinder kommt zum TV-Journalismus wie die Jungfrau zum Kinde.

Im Anschluss an die mittlere Reife tingelt er mit einem Freund als Musikantenduo „Flop“ durch seine Heimatstadt Lahnstein. In den 70er Jahren besucht er die Fachoberschule für Nautik in Hamburg, heuert als dritter Offizier auf einer Ostseefähre an. 1982 heiratet er, übernimmt die Zoohandlung der Mutter, produziert 160.000 Mark Schulden und schlittert in die Pleite. Wenig später geht auch die Ehe in die Brüche.






„Schlampig, journalistisch untalentiert, aber risikobereit“ - das Image des TV-Fälschers in den Magazin-Redaktionen ist umstritten, trotzdem werden seine Beiträge jahrelang versendet und erzielen hohe Quoten.   


 


Nach diesem Fiasko beschließt Born, die Welt „künftig als Journalist zu beschreiben“. Der Zeitpunkt - 1986 - ist günstig. Die ersten privaten Fernsehsender sind seit Kurzem am Start. Wer mit einer Videokamera halbwegs wackelfreie Bilder liefern kann, wird engagiert. Born gründet eine Firma, deren Name gleichzeitig sein Programm wird: Trans-World-Pictures / Reportagen, TV-Produktionen, Risikoeinsätze.

Er berichtet aus Angola und Eritrea, ist im Jemen, im Irak, in Somalia (als Nahostexperte sitzt Born Ende 1992 sogar bei Erich Böhmes Talk im Turm). Der Hasardeur ist als Kriegsreporter im Iran, in Afghanistan, immer wieder auch in Ex-Jugoslawien oder im Libanon. Hier wird 1987 der deutsche Ingenieur Rudolf Cordes von der Hisbollah entführt.

Born wird hellhörig. Grund: Sein Freund Abudi steht mit der Familie der als Tatbeteiligte in Deutschland inhaftierten Brüder Mohammed und Abbas Hamadi in Kontakt. Abudi stammt ebenso wie die Familie Hamadi aus demselben Beiruter Vorort. Mehr noch: Die Eltern der inhaftierten Brüder sind gute Freunde von Abudis Mutter.

Er wittert eine Riesenchance und beschließt, „etwas für den entführten Cordes zu tun“. Gemeinsam mit seinem Freund und ausgestattet mit einem Schreiben des stellvertretenden Botschafters des Irans, in dem die Hisbollah eindringlich vor Übergriffen gegen seine Person gewarnt wird, reist er in die libanesische Hauptstadt.

Hier jagen sie Rudolf Cordes hinterher. „Unsere Berichte aus dem Libanon liefen damals in der BBC, bei der ARD und im ZDF“, erklärt Born stolz. Seine damaligen Beiträge sind offenbar nicht zu beanstanden. Er sagt, er wolle mit seiner Arbeit immer auch helfen, aufrütteln, Öffentlichkeit schaffen.

Born gibt allerdings zu verstehen, auch das Image eines risikobereiten Reporters gepflegt zu haben, der besorgte, was Korrespondenten nicht liefern konnten: härteste Frontaufnahmen aus Krisengebieten. „Wann immer Sender sie brauchten“, erklärt Born, „klopften sie bei mir an und bekamen meist, was sie wollten.“

Anderes Beispiel: seine Reise nach Tunis, um Jassir Arafat im Exil zu interviewen. Der Palästinenserführer gewährt ihm tatsächlich eine kurze Audienz. Für das dürftige Interview interessiert sich zwar kein Sender. Aber Born kann fortan mit einem Foto in den Redaktionen prahlen, das ihn mit Arafat zeigt.

Ein journalistisches Anliegen spricht Christian Bock vom S-Zett-Magazin Born ab. Er lernt ihn Ende der 80er-Jahre in der Redaktion des Magazins Klartext des Münchner Senders Tele 5 kennen. Für Klartext dreht Born Filme über Opfer des Iran-Irak-Krieges, die sich in Deutschland behandeln lassen, oder über Schlepper, die Asylanten illegal über die Alpen in die Bundesrepublik schleusen.

Dieser Film stößt erstmals einer Redaktion auf. 1991 versendet das ARD-Magazin ZAK die Aufnahmen exklusiv, um dann durch Zuschauer zu erfahren, dass der Schlepperfilm zuvor schon auf Tele 5 zu sehen war. „Unseriöses Geschäftsgebaren“ sei der Grund dafür gewesen, dass ZAK die Zusammenarbeit beendete, so Moderator Friedrich Küppersbusch. Natürlich habe man daraufhin Kollegen anderer Redaktionen vor Born gewarnt.

Die Fernsehszene beurteilt Borns Qualitäten schon damals eher zurückhaltend. Er sei ein miserabler Kameramann, und von Journalismus verstehe er auch nichts. Trotzdem reüssiert er mit seinen Beiträgen bei Sendern wie Pro 7, Vox, RTL oder dem Schweizer Fernsehen DRS. 

Mitte der 90er-Jahre entwickelt er einen Faible für die Naziszene, was ihm schließlich zum Verhängnis wird. Am 7. September 1994 strahlt stern TV den Bericht über angebliche Aktivitäten des US-Geheimbundes Ku-Klux-Klan in Deutschland aus, worin Kapuzenmänner in einer Felsenhöhle bei Mendig/Eifel ein Kreuz verbrennen und Naziparolen skandieren. Daraufhin nimmt die Staatsanwaltschaft Koblenz ihre Ermittlungen auf. Wenig später sitzt Michael Born in Untersuchungshaft.

Dienstag, 21. April 2015

Maybritt Illner diffamiert Ostdeutschland

Meinungs-Manipulation mit Gebührengeldern

Es scheint als habe sich eine kleine politische Sekte aus unserer Gesellschaft verabschiedet. Mit diesen Worten beschrieb ZDF-Mitarbeiter Thomas Bärsch "Pegida" am 10. April im Regional-Fernsehen. Die Bewegung ist mehrheitlich ostdeutsch + jenseit der 40, ging also zu DDR-Zeiten zur Schule. Diese formte ein Weltbild, in das auch die westliche Lügenpresse bestens hineinpasste. Die Saat der Propaganda ging also offenbar auf.
ZDF will deutsche Gesellschaft spalten
Der Bericht war einer der ersten mit dem Ziel, einen Keil in die deutsche Gesellschaft zu treiben und zeigt, dass das ZDF gegen den eigenen Programmauftrag verstößt. Alles nur ein Ausrutscher? Leider nicht. Hetze gegen den Osten ist im ZDF zum Programmauftrag geworden. Maybritt Illners Talk-Show mit dem Titel “Angst, Wut, Hass - Ist Tröglitz überall” stellte dies sechs Tage später erneut unter Beweis. Die Show ist zu finden unter https://www.youtube.com/watch?v=onltv2u7F4Q
Kampagne gegen Ostdeutsche
Die beiden Leitfragen waren: Wie ausländerfeindlich ist Deutschland und was ist neu an diesem Hass? Die Show setzte eine Kampagne fort, Bürger im Westen gegen die im Osten aufzuhetzen. Als Stichwortgeber hatte Illner Bundestags-Vizepräsidentin, Cladia Roth, die AFD-Vorsitzdende Frauke Petry, Thomas Strobl, stellvertretender CSU-Parteivorsitzender sowie den Rechtsextremismus-Experten Olaf Sundermeyer und den  Regional-Bischof von Wittenberg-Halle Johann Schneider sowie den Internet-Experten Sascha Lobo eingeladen. Es folgen die propagandistischen Highlights:
Diffamation statt Moderation
Zunächst spricht Sundermeyer von einer Normalisierung des Rechtsextremismus im Osten durch Pegida, die neben rechten Parteien wie der AFD für ein vergiftetes fremdenfeindliches Klima mitverantworlich sei. Der Experte hat einen rechten Kulturkampf gegen Einwanderung und Flüchtlinge ausgemacht. Er beobachtet eine Strategie des Raumkampfes der Nazis, mit denen sie Deutungshoheit über den Tröglitzer Anschlag erlangen wollten.
Nachdem Illner den Regional-Bischof dazu aufforderte, die absurde (!!!) Stimmung auf der Bürgerversammlung in Tröglitz vom 31.März zu beschreiben, die den Anschlägen vorausging, will sie wissen, wie sich Bürger vor Rechtsextremisten schützen könne, die laut Verfassungschutz, gezielt Ängste und Sorgen der Bürger ausnutzten. Roth beantwortet die Frage zwar nicht, stellt Tröglitz aber in eine Reihen mit den Anschlägen in Lichtenhagen, Mölln und Solingen.
Ost-Bashing
Anschliessend unterstreicht CSU-Mann Strobl, dass rechtsextremistische Anschläge in der ganzen BRD zu beklagen seien und nur eine verstärkte Erläuterung der Flüchtlings-Thematik gegenüber den Bürgern diese zu verhindern helfe. Sachsens AfD-Chefin Petry teilt dessen Position, warnt aber davor, Verantwortung der Politiker auf die Bürger abzuschieben und fordert ein Einwanderungsgesetz, um zwischen Asylsuchenden, Flüchtlingen und Einwanderern unterscheiden zu können: nur 30% der Antragsteller seien Flüchtinge.
Daraufhin Sundermeyer: Wenn Herr Gauland sagt, er möchte nicht mehr Menschen, die sich deutlich von unserer Kultur unterscheiden, dann ist die fremdenfeindlich. Wenn er sagt, wir brauchen eine Zuwanderung von Menschen, die zu unserer Kultur passen, dann ist dies völkisches Denken und befördert fremdenfeindliche Einstellungen insbesondere im Osten. Hier sei die Distanz zu fremden Kulturen am allerhöchsten.
Was ist anders im Osten?

Petry sieht indes eine grössere Skepsis gegenüber stattlichen Handeln in Ostdeutschland, was sich aus der Geschichte erklären lasse. Sie warnt auch davor, den Anschlag voreilig Rechten zuzuschreiben, denn die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Soweit die Pflicht, was nun folgt ist pures Ost-Bashing.
(23’.48’’) Illner: Herr Sundermeyer kann uns erklären, warum im Osten etwas anders ist als im Westen und ich stelle anschliessend noch eine inhaltliche Frage (!!!) wieso ist der zivilisatorische Lack im Osten dünner als im Westen? Ohne auf die Frage zu antworten, schiesst der Experte gegen Frau Petry. Sie habe wochenlang mit Latz Bachmann und Pegida paktiert -  einer zutiefst rassisten Bewegung. Die Demokratie im Osten ist noch jung, der Westen hat Vorsprung. Die DDR hat kein 68 erlebt, sie hat keine gesellschaftliche Emanzipation erlebt. Die Kanonade von Diskreditierungen bleibt unwidersprochen, allerdings bestreitet Strobl, das Feindlichkeit gegenüber Fremden ein besonderes Problem des Ostens sei.
 
Wiederholung als Propagnda-Technik

Das passt der Moderatorin, die bereits mehrere Male Ihre These der speziellen Fremdenfeindlchkeit im Osten erwähnte,  um sie so im Bewusstsein der TV-Zuseher zu verankern, nicht so recht in ihre Strategie zur Massen-Manipulation. Erneut fragt sie, wieso die Stimmung im Osten eine aufgeheiztere sei. Diesmal unter Hinweis auf Studien der Universität Leipzig und Bielefeld, die zeigen, dass fremdenfeindliche Einstellungen” im Osten verbreiteter sind, als im Westen.

Später bezieht sich auch Claudia Roth auf diese Studie 31’.22’’, woraufhin Frau Petry darum bittet, doch aufzuhören gebetsmühlenartig zu wiederholen, dass der Osten fremdenfeindlicher als der Westen sei.

Illner als Oberschullehrerin

(32’.50’’) Um den Zuschauern die politische Botschaft klar zu übermitteln, stellt Illner im Habitus einer Oberschulehrerin fest: Ich zitiere aus der Studie der Universität Leipzig, die sagt, dass im Osten fremdenfeindliche Einstellungen größer als Im Westen sind. Vielleicht können wir das jetzt als Fakt akzeptieren?

So autoritär tritt Illner als Meinungs-Ingenieurin auf. Spätestens jetzt ist ihr Auftrag klar: Nicht zu moderieren, sondern Ostdeutschland zu diffamieren.

Eine andere Baustelle eröffnet sie dann, indem sie einen Einspieler zeigt, in dem fremdenfeindliche Posts aus dem Internetforum der Show gezeigt werden. (41’.10’’) Illner fragt den Internet-Experten Sascha Lobo, ob die Anonymität im Netzt dafür sorgt, dass die Leute auch das schreiben, was sie denken?

Er zeigt auf einem Karton Reaktionen von Internet-Nutzern, die nach einen Artikel über einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim gepostet wurden: Türen verrammeln wenns brennt, dann löst sich das Problem von selbst. In zwei Stunden seien 24 “Likes” zustande gekommen. Illners Frage über die Posts, die jeder erfahrene Internet-Nutzer in kürzester Zeit generieren könnte: Gibt es seine neue Qualität des Hasses oder erfahren wir endlich davon?

Feindbild Ostdeutschland

Lobo: Eine Qualität des Internets sei, dass man in die Köpfe des Menschen hineingucken könne. Das, was früher ungehört verhallte, das kann man nachvollziehen. Menschen, die sich freuen, wenn andere ertrinken, die ihrem Hass in verstörendster Art und Weise freien Lauf lassen. Illner: Bekommen wir endlich ein Bild? Lobo: Jetzt können wir sehen, was das bedeutet, was in den Köpfen vor sich geht. Das ist der blanke Hass. Wir brauchen eine Antwort der Zivilgesellschaft.

Ganz zur Freunde Illners entwirft Lobo daraufhin ein Feindbild, ohne das Propaganda bekanntlich nicht funktionieren kann.

(45’.10’’) Im Netz herrscht eine Art Aufbruchstimmung. AfD und Pegida haben dazu beigetragen, dass Leute den Eindruck haben, jetzt gehts los, endlich unternimmt einmal jemdand etwas.

Illner: Gibt es im Netz eine neu Qualität des Hasses? (47’.20’’) Roth, die selber Ziel von Verbalattacken im Internet wurde: Ich weiss, dass das, was im Netzt passiert Menschen total Angst macht. Jeder, der sich für Flüchtlinge einsetzt, gerät ins Visier. Petry: Gewalt in jeder Form auch verbale sei abzulehnen.

Konstruierte Gegensätze

Illner: Erntet die AfD am Ende das, was im Netzt gesät wurde, indem Sie sich auf die Hass-Tiraden der Leute draufsetzten und sagen, das sind begründetete Bemerkungen? Petry: Die AfD setzt nicht auf Hass auf, sondern sie greift Probleme auf, die die Politik lösen muss. Dass im Netz viel geschrieben wird und dass auf Facebookseiten der AfD wie auch der des ZDF inakzeptable Äusserungen passieren, das ist klar. Wenn es sich dabei um eigene Mitglieder handelt, gehen wir gegen diese vor.

(59.’35’’) Illner: Da wird von Pegida und AfD ein Gegenstatz aufgebaut zwischen etablierten Politikern, die nicht hören, was das Volk auf der Strasse sagt. Strobl: Wir brauchen einen Dialog mit den Bürgern. Dies lehnt Roth vehement ab und behauptet, mit Rassisten brauche man nicht reden.

Illners Stichwortgeber besonders Sunderyeyer und Lobo verweisen zwar auf die Rolle der Zivilgesellschaft, um Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen. Ihnen entgeht aber, dass Pegida und AfD selbst Teil derselben sind. Man muss kein Sympathisant der AfD oder Pegida sein, sondern lediglich Demokrat, um sich zu fragen, ob so demokratisches Miteinander aussieht?
  
Ausgrenzung statt demokratischer Dialog
 
Nicht die AfD baut einen Gegensatz zwischen Politikern und Volk auf, sondern Maybritt Illner treibt einen Keil in die deutsche Gesellschaft, obwohl sie laut Programmauftrag, “verbindend” über Deutschland berichten soll.
 
Doch Illners Auftrag ist nicht Information, sondern Diffamation, um die Meinung der Bevölkerung mit einem Sammelsuriums aus Vorurteilen, Vorverurteilungen sowie halbseidenen Beweisen zu beeinflussen, um die Bildung ihrer politischen Positionen zu kontrollieren.
 
Bürger zahlen für die eigene soziale Kontrolle
 
Das perfide ist, dass Bürger für diese Propaganda bezahlen. Ja, sie ermöglichen Manipulationen durch ihre Rundfunkgebühren erst. Alle aufrechten Demokraten müssen für eine funktionierende Medien-Demokratie kämpfen + das ZDF dazu auffordern, zurück zum Programmauftrag zu finden


Sonntag, 19. April 2015

Der Fake Faktor - In der Falle der Aktualität

Donnerstag, 15. Februar 1996

Nach fast einem Monat schaltet sich sogar der damalige Bundespräsident Roman Herzog in die Debatte der aktuellen Ereignisse ein. Er betont zwar gegenüber dem Deutschen Presserat den Stellenwert der „gegenseitigen Kritik der Medien“ im Rahmen der freiwilligen Selbstkontrolle des Fernsehens, mahnt aber angesichts immer wilderer Spekulationen gleichzeitig zu Mäßigung. Unterdessen will es Jauch nicht gelingen, zur gewohnten Souveränität zurückzufinden, obwohl Entschuldigungen, Eingeständnisse und Beteuerungen, die Redaktion habe Borns Rohmaterial genau kontrolliert, sowie Gegendarstellungen beweisen sollen, dass stern TV Opfer und nicht Täter sei.

Ihn belasten anhaltende Spekulationen wie in der Woche, dass Born womöglich redaktionelle Hilfe bei der Produktion der Fakes, die er dem Publikum präsentierte, bekam:

"Wenn dann noch alles von einem Moderator schwiegermutterlieb ins Bild gesetzt wird - wer will wegen ein paar Lügen, den Spielverderber spielen? Das war schon bei den Hitler-Tagebüchern so, warum sollte ausgerechnet stern TV jetzt anders arbeiten? Damals kassierte Kujau noch illegal, heute streicht Jauch seine Millionen ganz legal ein."

Freitag, 16. Februar 1996

Auch dem Boulevardblatt Express aus Köln entgeht nicht, dass der Schock über die getürkten Beiträge beim Moderator Spuren hinterlassen hat:

"Peinlich, wie unvorbereitet er bei der Anmoderation des „Take That“-Themas war, ständig vom Zettel ablesen musste. Peinlich, wie er den (sorgfältig) recherchierten Beitrag über den Split der Teenie-Band mit Häme über die Fans („hysterische, kreischende Mädchen“) kaputt redete. Anschließend Gegendarstellungen in Sachen Born-Beiträge in schon gewohntem Jammer-Unterton. Wenn’s so weitergeht: Gute Nacht."

Man kann sich vorstellen, wie sehr Jauch und sein Magazin wenigstens eine kurze Atempause herbeisehnen. Aber auch an diesem Wochenende geht der Marathon weiter. Der Ikea-Konzern entschließt sich zu einer Klage auf Schadenersatz und informiert hierüber gleich die Presse.

Samstag, 17. Februar 1996

Der Schweden-Korrespondent der AFP tickert nach einem Gespräch mit einem Ikea-Verantwortlichen nach Deutschland, dass das Unternehmen von stern TV 400.000 Mark Schadenersatz fordere. Damit solle unter anderem der Schaden ausgeglichen werden, der der Firma in Indien durch den gefälschten Film entstanden sei.

Sonntag, 18. Februar 1996

Auch der Axel Springer Verlag lässt von der Story nicht ab. Die BamS hat seit dem letzten Wochenende weiter recherchiert. Durch ein Gespräch mit dem die Ermittlungen in Koblenz leitenden Staatsanwalt Norbert Weise erfahren die Redakteure von der Festnahme eines weiteren Verdächtigen:

"Nach Fernsehfälscher Michael Born sitzt jetzt auch Günther Jauchs „Hauptdarsteller“ in Untersuchungshaft. Laut Staatsanwaltschaft soll der Born-Komplize in einem gefälschten stern TV-Bericht als Ku-Klux-Klan-Führer Nazi-Parolen gegrölt haben. Als Komparse wurde er auch als angeblicher Kokain-Dealer und drogensüchtiger Navajo-Indianer auf dem Bildschirm entdeckt." 

Es ist völliger Unfug, dass der Festgenommene Jauchs Hauptdarsteller gewesen sei. Natürlich hätte Anwalt Seibert bei Springer intervenieren und auf Richtigstellung der nicht korrekten Behauptung bestehen können, ja müssen. Denn der Inhaftierte, den die BamS in dem Artikel auf einem Videoprint aus dem Beitrag in vollem Indianer-Federschmuck abbildet, ist einer der Komparsen Borns. Aber scheinbar kümmert es niemanden mehr, ob Behauptungen den Tatsachen entsprechen oder den Phantasien der Hamburger Springer-Redakteure. Irgendwie scheint hier wie zeitgleich im Rheinland Karnevalsstimmung auszubrechen.

Dienstag, 20. Februar 1996

Vom Norden der Republik im Hamburger Abendblatt oder in der Welt über die Mitte in der FAZ  bis in den Süden in der SZ oder den Osten in der Berliner Zeitung - während die Presse sich bundesweit mit den Neuigkeiten vom Wochenende überschlägt, rennen Jauch und seine Redaktion den Ereignissen hinterher.


 
 
 
In der Defensive - Magazin-Moderator und Chefredakteur scheinen den Ereignissen immer mehr hinterherzulaufen, werden zu Opfern der eigenen Aktualität.
 
 
 
 
Viel zu spät fällt die Entscheidung, zu der Ikea-Klage Stellung zu nehmen. Und dies nicht etwa in einem persönlichen Gespräch mit der SZ oder der FAZ, in dem sie den Redakteuren hätten wichtige Informationen zur Entstehung des Beitrages geben können, um so Einfluss auf die Berichterstattung zu gewinnen. Nein, einmal mehr in Form einer Presseerklärung.
 
"stern TV hat in der Sendung vom 14. Februar 1996 bereits zu der Fälschung des „Ikea-Beitrags“ Stellung genommen. Es handelt sich um ein schwebendes Verfahren, mit dem die Rechtsabteilung von Gruner + Jahr befasst ist. Sie befindet sich in Gesprächen mit den Anwälten von Ikea. Unsere Anwälte halten einen derartigen Schadenersatzanspruch, der im einzelnen von Ikea auch noch nicht spezifiziert worden ist, für unbegründet."
 
Eine Ansammlung von Allgemeinplätzen. Klar, dass das Magazin mit seiner wenig ausgeprägten Bereitschaft zur Auskunft bei den Kollegen der schreibenden Zunft nicht mehr punkten kann. In der Öffentlichkeit verhärtet sich der Eindruck, dass stern TV ganz offensichtlich blockt. 
 
Mittwoch, 21. Februar 1996
 
Das Medien-Karussell gewinnt an Fahrt: neuer Höhepunkt im Regenbogenblatt Sieben Tage. Es fordert erstmals im Namen der „empörten Zuschauer“ den Rücktritt des 39-jährigen Moderators.
 
Donnerstag, 22. Februar 1996
 
Mitten in die Situation platzt dann ein unerwartetes Umfrageergebnis. Ob nun gezielte PR-Maßnahme durch G+J oder nicht: Die zum Konzern gehörende Programmzeitschrift TV Today hat durch das Bielefelder Emnid-Institut die Stimmungslage im deutschen TV-Volk unter die Lupe genommen. Dabei sieht es so aus, als stimme die Rücktrittsforderung des Regenbogenblatts so gar nicht mit der Meinung der 1.036 befragten Zuschauer überein: 
 
"Auch wenn er sich stammelnd für gefälschte Fernsehbeiträge entschuldigen muss - er ist und bleibt der ewige Good Guy, dem jeder Fehler sofort verziehen wird. Die Zuschauer haben ihn so bedingungslos ins Herz geschlossen, dass selbst auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen über die gefälschten Beiträge bei „stern TV“ fast jeder zweite Deutsche den TV-Smartie gern noch öfter auf dem Bildschirm sehen möchte."
 
Es ist nicht dem Ergebnis dieser Umfrage zu verdanken, dass es anschließend um stern TV allmählich ruhiger wird. Vielmehr geht den Tageszeitungen nach über einem Monat Sperrfeuer langsam die Munition aus. Außerdem wissen die Chefredakteure: Wirkliche Klarheit in den Skandal wird erst die Anklage beziehungsweise der Prozess gegen Michael Born bringen.
 
Sonntag, 3. März 1996
 
Einige Tage später zieht die Welt am Sonntag eine für das Magazin beruhigende Zwischenbilanz. Grund: Weder Fakes noch Diskussionen führten zu einem Popularitätsverlust. Die Einschaltquoten bleiben bei über drei Millionen Zuschauern auf hohem Niveau:
 
"Es überrascht, dass das Fernsehpublikum so wenig Konsequenzen aus dem Ereignis zog“, sagte Klaus Burkert von der für „stern TV“ zuständigen Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen. „Leider liegen keine Untersuchungen vor, was der Zuschauer überhaupt von Magazinsendungen erwartet“, so Burkert weiter. „Offenbar besteht hier eher ein Hang zur Unterhaltung denn zur Information.“
 
Mit dem beginnenden Frühjahr nähert sich die erste Phase des Skandals ihrem Ende. Zurück bleibt ein blamierter Moderator mit einem Magazin, das auf dem besten Weg ist, seine journalistische Kredibilität zu verspielen. Und eine Branche, die sich selbst den § 23 Abs. 3 des Rundfunkstaatsvertrags ins Bewusstsein zurückrufen muss. Darin heißt es, dass Informationssendungen den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen haben, „unabhängig und sachlich“ sein müssen und dass Nachrichten vor ihrer Verbreitung „mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft“ zu prüfen seien.
 
Ganz in diesem Sinne fordert der damalige Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), Thomas Kleist, die betroffenen TV-Veranstalter auf, gegenüber der zuständigen Landesmedienanstalt Auskunft darüber zu geben, ob und in welcher Anzahl, in welcher Art und welchem Umfang gefälschte Beiträge ausgestrahlt worden sind und welche Vorkehrungen getroffen wurden, um den im Rundfunkstaatsvertrag vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten zu entsprechen.
 
Über Ergebnisse und mögliche Konsequenzen daraus soll die Öffentlichkeit allerdings nichts mehr erfahren. Mit jedem Tag ebbt nun die breite Woge der Berichterstattung bis zur Anklageerhebung gegen Born im Sommer weiter ab. Diskussionen um Schwachstellen in puncto redaktionelle Sicherungssysteme oder journalistische Sorgfaltspflicht werden fortan im Evangelischen Pressedienst (EPD) und in Medien-Fachblättern wie der Funk-Korrespondenz oder Medien aktuell geführt. 

 

Mittwoch, 15. April 2015

ZDF führt psychologischen Krieg gegen deutsche Bürger

Meinungs-Engineering mit Gebührengeldern

ZDF-Mitarbeiter Thomas Bärsch aus dem Studio Dresden verfasste am 10. April einen Bericht über Pegida. Der Text auf der Tonspur trägt klare propagandistische Züge + ist ein Fall von Meinungs-Engineering, der dem Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Senders zuwiderläuft.  

Der Beitrag ist zu finden unter:
https://www.youtube.com/watch?v=PlfHpr6s5_E

 
Nach einer kurzen Einleitung zum Thema Pegida textet Thomas Bärsch:

“Es scheint als habe sich eine kleine politische Sekte aus unserer Gesellschaft verabschiedet.”

Wenn Bärsch behauptet, die Bewegung stehe ausserhalb der Gesellschaft, dann muss er als Journalist dem Zuseher aufzeigen, wer denn zur deutschen Gesellschaft gehört.

Diffamierung statt neutral Information

Anstatt technisch sauber zu arbeiten, diffamiert er Pegida als “politische Sekte” + verstößt gegen seinen Programmauftrag, der u.a. ausgewogene Berichterstattung von Journalisten fordert.

“Pegida ist mehrheitlich ostdeutsch + jenseit der 40, ging also zu DDR-Zeiten zur Schule. Diese formte ein Weltbild, in das auch die westliche Lügenpresse bestens hineinpasste. Die Saat der Propaganda ging also offenbar auf. 40 Jahre politische DDR-Bildung blieben nach dem Mauerfall unwidersprochen.”

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben den Auftrag, "verbindend" über die BRD zu berichten. Hier passiert genau das Gegenteil: Der Redakteur treibt einen Keil in die bundesdeutsche Gesellschaft + kritisiert das DDR-Bildungssystem in hetzerischer Diktion.

Ziel des Autors ist es, Anhänger der Bewegung, die lediglich ihr Recht auf Partizipation an der öffentlichen Meinungsbildung wahrnehmen, als lernunfähige Altkommunisten zu etikettieren.

Gesinnungsjournalimus

Dass der Autor dabei selbst von “Propaganda” spricht, stellt eindrucksvoll den Verlust seines Bezugs zur Realität unter Beweis: Bärsch betreibt schließlich selbst lupenreinen Gesinnungsjournalismus mit dem Ziel der Manipulation der öffentlichen Meinung.

Wären nicht propagandistische Motive die Motivation für Bärschs Bericht, dann hätte er erwähnen können, dass das westdeutsche Bildungssystem nach dem zweiten Weltkrieg durch die Verlage Langenscheidt, Klett & Co. ebenso manipulativ funktionierte, wie er es dem ostdeutschen Ssystem vorhält - nur eben mit pro-transatlantischer + nicht sozialistischer Orientierung.

“Es sind vielleicht die Webfehler der Vereinigung, die nachwirken und die Pegida heute so hartnäckig blühen lassen.”

Der Autor ignoriert, dass Bürger-Partizipation ein essentielles Element für das Funktionieren einer Demokratie ist. Zudem verdrängt er, dass weisungunabhängige Medien funktionierende Demokratien ebenso kennzeichnen.

ZDF gefährdet Demokratie

Bärschs Berufsverständnis ist nicht mehr dies eines Journalisten, vielmehr ist er Agitator oder Hetzer. Dies ist demokratiegefährdend. Denn tragen Journalisten + Medien zur sozialen Kontrolle der Deutschen bei, dann können sie ihre korrektive Funktion als vierte Gewalt in der BRD nicht mehr ausüben. Damit betreibt das ZDF unter Veruntreuung von Gebührengeldern psychologische Kriegsführung gegen die deutsche Bevölkerung.

Veruntreuung von Gebührengeldern

Die Frage, welche Interessen der Sender auf diese Weise unterstützt, ist leicht zu beantworten: Die der USA, die als Besatzungsmacht alle deutschen Medien seit dem Ende des zweiten Weltkrieges kontrolliert + dies bis in das Jahr 2099 hinein nicht beabsichtigt, zu ändern. 

Das perfide an dem System ist, dass Bürger für die eigene soziale Kontrolle bezahlen. Ja, sie ermöglichen Manipulationen durch jede Überweisung der Rundfunkgebühren erst.

Bürger zahlen für die eigene soziale Kontrolle

Alle aufrechten Demokraten müssen für eine funktionierende Medien-Demokratie kämpfen + das ZDF dazu auffordern, zurück zum Programmauftrag zu finden.

Der Fake Faktor - Im freien Fall

Donnerstag, 1. Februar 1996

Trotz aller Verzweiflung, die sich in den kurzen Tagen des Skandals auf den Fluren des Stern in Hamburg festzusetzen scheint, weiß G+J natürlich: Der ins Trudeln geratene TV-Star - das Zugpferd der Fernsehaktivitäten im Konzern - kann nicht ohne Weiteres fallen gelassen werden.

Zwei Wochen nach dem Beginn des Schlagabtauschs bringt der Stern ein Interview mit Jauch. Ein Schritt, den - wie gesehen - Spiegel und die SZ bereits vor Tagen als opportun erachtet hatten, um sich in eine günstige Ausgangslage zu manövrieren.

Stern: "Der freie Fernsehjournalist Michael Born (...) hat bei stern TV mindestens sechs gefälschte Beiträge untergebracht. Wie konnte das passieren? Jauch: Er war uns seit langem bekannt, er hat Beiträge geliefert, die nicht zu beanstanden waren, und er war bei vielen großen, renommierten Sendern und Sendungen bestens eingeführt. Deswegen haben wir ihm vertraut, deswegen war an seiner Arbeit zunächst nicht zu zweifeln.“

Jauch geht wiederum nicht en Detail auf das Thema Sorgfaltspflicht ein, sondern verweist darauf, dass Born auch für andere renommierte Sender tätig war - als ob dies eine Garantie für journalistische Glaubwürdigkeit sei. Dabei musste er sich erst vorhalten lassen, dass Vertrauen zwar gut, aber Kontrolle doch besser ist. Ihm ist es unmöglich, verlässlich Auskunft zum Stand des Skandals zu geben.

Stern: "Wird sich die Affäre noch ausweiten? Jauch: Ich stehe auch als Chefkoch einer Gerüchteküche, deren Dunsthaube ausgefallen ist, nicht zur Verfügung. Ich kann nicht ausschließen, dass noch mehr Beiträge zu beanstanden sind, aber ich will eben auch nicht spekulieren.“

Humoristische Wortspielereien sind eines der Markenzeichen des TV-Stars. Sie täuschen aber nicht darüber hinweg, dass die Stimmung beim Stern wegen möglicher weiterer Enthüllungen frostig ist. Das Vertrauen nähert sich immer mehr dem Nullpunkt.

"Stern: stern TV und Stern sind voneinander unabhängig, aber wir kooperieren von Fall zu Fall, nach unseren Erkenntnissen haben die Fälschungen in unserem Heft keinen Niederschlag gefunden. Ist das richtig? Jauch: Ja. (...) Stern: Welche Konsequenzen zieht „stern TV“ aus der Affäre, welche Konsequenzen ziehen Sie persönlich? Jauch: Unsere erste Konsequenz war, dass wir als bisher einziges TV-Magazin Anzeige gegen Michael Born erstattet haben und mit der Staatsanwaltschaft sehr gut zusammenarbeiten. Niemand ist mehr an der restlosen Aufklärung interessiert als „stern TV"."

Sicherlich. Aber abgesehen von der Tatsache, dass stern TV zwischenzeitlich ganz offensichtlich der Draht zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft verloren gegangen ist, was trägt Jauch, der diese Aussage bei jeder Gelegenheit beinahe gebetsmühlenartig wiederholt, dazu aktiv bei? Er stellt eben nicht dar, wie Born redaktionelle Sicherungssysteme oder Redakteure ausgetrickst hat, genauso unerklärt bleibt, wie sich in Zukunft die Abnahme der Beiträge, die Auswahl und Recherche der Themen gestaltet. Sondern er sucht einmal mehr Schutz hinter der wenig aussagekräftigen Tatsache, stern TV habe Strafanzeige gestellt.

Fehlanzeige auch in Sachen persönlicher Konsequenzen - Jauch übergeht diese Frage schlicht, er hat sich „nichts vorzuwerfen“ und sieht daher auch keinen Bedarf, Verantwortung zu übernehmen. Gerade aber für dieses Thema interessiert sich die seit Frühjahr 2002 nicht mehr erscheinende Wochenzeitung Die Woche. Autor John Kreuschmer macht sich über den Moderator lustig:

"Liebe Zuschauer! Bisher ist zwar einiges schief gelaufen, aber diesmal, glauben Sie mir, diesmal haben wir wirklich recherchiert!“ Wollen Sie, der Sie besonders häufig Beiträge ausstrahlten, die aus der Fälscherwerkstatt des Michael Born stammten, demnächst jede Moderation bei „stern TV“ mit diesen Worten beginnen? (...) Wie sind Sie bloß auf die Idee mit dem investigativen Journalismus gekommen?"

Natürlich ist Polemik das Markenzeichen des Artikels, aber er ist gleichzeitig repräsentativ dafür, wie tief Jauchs Stern gesunken ist. Es ist nur konsequent, journalistische Fehltritte aus seiner Vergangenheit zu thematisieren oder Nebenjobs anzusprechen, die so gar nicht zum Berufsbild des Journalisten passen.

"Als „Stern TV“ den Tod eines bosnischen Jungen in aller Brutalität zeigte, putzte sich Jauch an seinen französischen Kollegen ab. Die hätten den Film schließlich gedreht, er habe ihn nur gesendet. Als Jauchs Werbetätigkeit für das dubiose Direktvertriebsunternehmen Amway aufflog, antwortete Jauch: Niemand sei „richtig reingelegt, also belogen“ worden. Später aber brandmarkte er die Nebentätigkeit seines Kollegen Ulrich Wickert. (...) Keine Frage: Im harten Wettbewerb um Quoten und Millionengagen können schon einmal Fehler passieren. „Stern TV“ aber hat zu viele gemacht, Günther Jauch zu oft den Ahnungslosen gespielt. Es wird Zeit, dass er endlich einmal Verantwortung übernimmt."

Die Woche trifft Jauch mit diesen Zeilen an einer sensiblen Stelle: seiner Eitelkeit als Journalist. Doch der hat sich wohl mit dem Verlust seiner Glaubwürdigkeit abgefunden. Er wird zum Spielball der Medien.

Wie reagieren unterdessen die Mediaagenturen, die für den Verkauf der Werbeplätze im TV verantwortlich sind? Ist es zu einem Vertrauensverlust oder Werbestornierungen bei stern TV gekommen? Keineswegs: Ob in den Häusern Media Consult und Bates in Frankfurt am Main oder Springer & Jacoby Media in Hamburg - die Verkäufer der Werbeplätze halten das Magazin weiterhin für glaubwürdig.

Mit professioneller Nüchternheit zieht Werbeprofi Manfred Krupp, der Geschäftsführer von Mediapolis-Horizons in Frankfurt am Main, eine Zwischenbilanz: „Man kann ja bösartig sagen, wenn gefälschte Berichte gut gemacht sind, dann erfüllen sie ihren Zweck.“ Es sei doch nur der Anspruch von stern TV, seriös zu berichten. Für die Kunden, für die die Sendung bisher gut gewesen sei, sei sie auch weiter gut. 

Zurück zu stern TV: Am Wochenende rächt sich, dass das Magazin die Vorwürfe zum fragwürdigen Bericht über den Sprachreisenveranstalter aus Itzehoe, Jürgen Matthes, nie nachhaltig aus der Welt geschafft hat.

Sonntag, 4. Februar 1996

Denn der hat seine Story im Axel Springer Verlag untergebracht und droht via Bild am Sonntag (BamS) mit einer Klage gegen stern TV auf Schadenersatz: 

"Durch die Fälschungen (...) haben Stern TV und seine Mitarbeiter unserem Familienbetrieb einen Schaden in siebenstelliger Höhe zugefügt. Diesmal geht's um den Beitrag eines Münchner Filmemachers über Sprachreisen nach Eastbourne. „In dem Bericht, den Stern TV im Sommer vergangenen Jahres ausstrahlte, torkeln betrunkene Jugendliche durchs Bild. „Der Bericht ist in vielen Teilen gefälscht“, sagt der Veranstalter."

Es ist davon auszugehen, dass sich zu diesem Zeitpunkt bereits G+J-Justiziare hinter den Kulissen mit dem Fall beschäftigen. Ihr Job ist es, einen möglichst wenig öffentlichkeitswirksamen Vergleich zwischen Matthes und stern TV herbeizuführen. Ein Prozess wäre angesichts möglicher weiterer Enthüllungen durch die nach wie vor ermittelnde Staatsanwaltschaft für das Politmagazin eine Katastrophe.

Die Zeit drängt. Es mehren sich Indizien, dass es in der Redaktion tatsächlich zu Manipulationen gekommen ist. Denn stern TV, so heißt es in der Klageerwiderung des Münchner Filmemachers, habe sich nicht an die Originalversion des Beitrags gehalten. Jauchs Redaktion habe eigenmächtig Änderungen vorgenommen und Zitate verwendet, die der Münchner nicht geliefert hatte.

Die BamS-Chefredaktion hat mit der Veröffentlichung nicht lange gezögert. Kommt der Reiseveranstalter doch wie gerufen. Sein Fall ist eine Einladung, um gegen den Wettbewerber G+J zu polemisieren. Auf Rücksprache mit den Betroffenen zur Überprüfung der Behauptungen verzichtet das Springerblatt. Wozu sich womöglich durch eine Gegenrecherche eine die Auflage in die Höhe treibende Geschichte kaputtmachen? Für Fairplay ist in dieser Zeit kein Platz.

Montag, 5. Februar 1996

Jauchs Absturz gibt G+J beziehungsweise RTL immer mehr Grund zur Besorgnis, wie der Focus, der selbst mit Hochdruck an einem in wenigen Wochen startenden TV-Format arbeitet, zwischen den Zeilen wissen lässt.

"RTL-Chef Helmut Thoma, G+J-Vorstandsvorsitzender Gerd-Schulte Hillen, und Bertelsmann-Top-Manager Rolf Schmidt-Holz versuchen sich als Telefonseelsorger. Ihren Beistand brauchte Günther Jauch (...). Seit bekannt wurde, dass der Bildschirmsmartie (...) mindestens elf als gefälscht geltende Beiträge angesagt hat, ist sein properes Image angekratzt."

Man kann weiter gehen als der Focus-Autor: Die Affäre um den TV-Fälscher Born ist allmählich zum „Skandal um Günther Jauch“ geworden, der auf dem Weg ist, seinen Ruf zu verspielen. 

Mittwoch, 7. Februar 1996

Auf den TV-Liebling schießen sich jetzt auch die Blätter der Regenbogenpresse ein. Jauch ist wegen seiner Fehlleistungen zur Zielscheibe von Spott geworden. Die Zwei diskreditiert den TV-Star:

"Jauch hält sich für einen begnadeten Journalisten. Zeitschriften, die über Königshäuser berichten, hält er für unseriös, die Käufer für dumm und ungebildet. Jauch glaubt, dass in diesen Blättern nicht immer die Wahrheit steht. Was für ihn aber besonders peinlich ist: Er hat nicht eine einzige Story nach dem Wahrheitsgehalt überprüft."

Dies ist sicherlich unzutreffend. Aber mittlerweile gehen auch Medienfachblätter - hier informieren sich Journalisten über die Vorgänge im eigenen Berufsstand - auf Distanz zu Jauch. Der Fachdienst rundy bittet den Ex-Chefredakteur der Bunte, Armin Wagner, um Antwort auf die Frage, ob Jauch die Fälschungen nicht hätte erkennen müssen:

„Sicher. Aber sicher ist niemand. Natürlich ist Stefan Aust mit seiner Spiegel-Maschine aus gelernten Redakteuren besser dran als ein Jauch, der aus der Showbranche kommt und statt Journalismus eher Tingeltangel gelernt hat.“

Natürlich hat Wagner die Beiträge weder in Ausschnitten noch in voller Länge oder gar in Form des Rohmaterials jemals zu Gesicht bekommen. Danach fragt aber niemand mehr. Jauchs Image befindet sich in der Branche im freien Fall, die mit Volldampf an weiteren Enthüllungen recherchiert.

Donnerstag, 8. Februar 1996

Kein Wunder, denn der nach einer Focus-Umfrage erst kürzlich zum beliebtesten Deutschen gekürte Starmoderator ist Garant für hohe Auflagen. Die Bunte steigt ein:

"Was tut Jauch jetzt? 1. Er hat Stefan Aust einen Brief geschrieben mit dem „guten Rat“, den „Günther Kujauch“ nicht zu wiederholen.  2.  Er hat die (wg. Imageschaden) besorgte Stern-Redaktion im Nacken. Jauch: „Wir kriegen Hilfe aus Hamburg vom Verlag, auch juristische Hilfe. Wir haben Rechercheure im Ausland, die irgendwelchen Geschichten nachgehen.“

Solche Andeutungen sind es, die sein Image in der Öffentlichkeit zu ruinieren drohen. Warum wird er nicht konkret und erklärt, dass der Beitrag um den Sprachreiseunternehmer gerade noch einmal gegenrecherchiert wird? Aber er weicht ein weiteres Mal aus. Und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem sich weitere bedrohliche Szenarien zusammenbrauen. G+J intensiviert die Bemühungen, auf juristischem Weg Schadensbegrenzung herbeizuführen.

Die Bunte lässt die Chance nicht aus, darauf hinzuweisen, wie Menschen nach einem offensichtlichen Fehler reagieren:

"Typ 3 ist es seinem Stolz schuldig, wieder Klasse zu bekommen, indem er sich öffentlich bekennt. Typ 4 belügt sich selbst und denkt, es merkt keiner. Nun hat Jauch, der große Junge, statt 3 die Version 4 gewählt, wo er durch öffentliches Bekenntnis zum wirklichen Helden hätte werden können.  Er wird den Tag, als er seine Ehre verlor, nie vergessen. Das Publikum schon."

Es ist kaum zu glauben, aber der Autor wird mit der gewagten Prognose Recht behalten. Zunächst sticht aber die Illustrierte Gala nach. Sie gibt für eine Titelgeschichte über erfolgreiche Frauen, die den Ruf des Fernsehens retten sollen, und über Männer, die ihre Reputation verspielen, eine Forsa-Umfrage in Auftrag.

Das Ergebnis ist für Jauch, der bis vor Kurzem ein Symbol für Seriosität im deutschen Fernsehen war, wenig erfreulich. Grund: Nachdem der Frontmann von stern TV den Fakes aufgesessen ist, halten ihn nur noch 58 Prozent der Befragten für glaubwürdig. Sein Ansehensverlust bleibt nicht nur auf Zuschauer beschränkt. Auch die taktischen Spielereien sorgen im eigenen Berufsstand für Unmut. Nicht zuletzt ausgelöst durch die Informationspraxis kommen immer mehr Redakteure auf die nahe liegende Frage: Auf welche Weise hat Born eigentlich in den fraglichen Beiträgen der Wahrheit nachgeholfen?

Das Regenbogenheft Super Illu springt auf den an Fahrt gewinnenden Skandal-Zug, um seinen Lesern einen mutmaßlich gefälschten Born-Film aus dem Jauch-Magazin vorzustellen: 

"Der spektakulärste Fall: Mit vorwurfsvollem Dackelblick kündigte er einen Beitrag über Kinderarbeit in Indien an. Auf dem Bildschirm dann ärmlich gekleidete Jungen, die einen Ikea-Teppich knüpften und später ihre kleinen Hände hilfesuchend durch das Gitter der Firma streckten. Fälschung total: Die Kinder waren in Wirklichkeit die Söhne eines wohlhabenden Fabrikbesitzers, dessen Firma mit Teppichproduktion nichts zu tun hat."

Super Illu eröffnet eine neue Front, an der stern TV einmal mehr der Aktualität hinterherhetzen muss. Denn Ikea kündigte dem indischen Teppichproduzenten, in dessen Firma gar keine Kinder arbeiteten, nach der Sendung den Auftrag. 

Samstag, 10. Februar 1996

Zwangsläufig stellen sich die Medien nun die Frage, wie es überhaupt in TV-Magazinen zugeht. An diesem Wochenende gibt die SZ erste Eindrücke, indem sie den TV-Fälscher, der Millionen Zuschauer getäuscht hat, zu Wort kommen lässt:

"Was das Fernsehen betrifft, kann sich der normale Zuschauer keine Vorstellung machen, wie er von vorne bis hinten belogen wird, wie die Gier nach Sensationen keine Grenzen mehr kennt.“ Viele seiner spektakulären Bilder sind echt. Und da Born auch gute Kontakte zur autonomen Szene, zur PKK und zu Palästinensern hat - ein Photo zeigt Born mit Arafat - nahmen die Magazinmacher leichtgläubig auch Filme über Kinderarbeit in Indien (oder) kurdische Bombenbastler."

Leichtgläubig oder nicht - solche Themen stehen eben jedem investigativen Politmagazin gut zu Gesicht. stern TV ist im Zuge des zunehmenden Konkurrenzdrucks im Kampf um Einschaltquoten und Werbegelder zwischenzeitlich aber auch Abnehmer für dubiose Inhalte geworden, die nicht so recht zum seriösen Image passen wollen.

"Nur, wie ist es Born gelungen, frei Erfundenes wie die Katzenjäger unterzubringen? Er kam doch nur mit chaotischem Rohmaterial. Weil er kein guter Journalist ist, sagt Zaik, haben wir ihn eng an die Redaktion gebunden.“

Das erfolgreichste Politmagazin im deutschen TV, das in seiner Eigendarstellung Anfang des Jahres noch höchste journalistische Tugenden für sich beanspruchte, arbeitet demnach immerhin über einen Zeitraum von fünf Jahren mit einen schlechten Journalisten zusammen! Dann gerät das Magazin durch den ehemaligen Mitarbeiter Martin Lettmayer, der dort von August 1994 bis Ende Dezember 1995 als Redakteur beschäftigt war und in seinem Dokumentarfilm „Verschlusssache Atomtod“ unsauber gearbeitet hatte, zusätzlich in die Defensive:

"Der Autor behauptet, dass Kinder Opfer einer Strahlenkatastrophe im Ural geworden seien, diese Sequenz in einem Haus in Tscheljabinsk gedreht worden seien. Doch die Bilder waren 1994 zwei Jahre alt und stammten aus einer Moskauer Kinderklinik. Auch Lettmayer packt aus. „Das ist ein branchenüblicher Kunstgriff“, sagt der Journalist."

Der „branchenübliche Kunstgriff“ - ein Argument, das auch im späteren Prozess immer dann fällt, wenn es darum geht, zu erklären, inwiefern sich die Redakteure in der Kölner Redaktion selbst nicht immer ganz ans Authentische hielten.

Übrigens verlässt Lettmayer die Redaktion zu dem Zeitpunkt, als stern TV der Staatsanwaltschaft die Unterstützung bei der Aufklärung der Vorwürfe zusichert und Strafanzeige gegen Born stellt. Steht der Entschluss mit der Affäre in Zusammenhang?

Parallel geht das Rätselraten über die Umstände weiter, wie der Beitrag über den Itzehoer Sprachreiseveranstalter, der sich als Opfer eines gefälschten TV-Beitrags betrachtet, zu Stande kam. Jetzt rächt sich, dass die Redaktion die Öffentlichkeit noch nicht über einzelne der mutmaßlich gefälschten Beiträge informiert hat, sondern Journalisten wie etwa von der FAZ selbst weiter ermitteln müssen:

"Zwei Tage lang begleitete ein Kamerateam unter der Leitung von Michael Mayr von der freien Produktionsgesellschaft „Filmgesellschaft München“ die Schüler eines seiner Feriensprachkurse in Eastbourne. Das Bild, das sich dem Zuschauer bot, war haarsträubend. Gegen diese Darstellung hat Jürgen Matthes (...) eine einstweilige Verfügung erwirkt. Der Entscheidung lagen zahlreiche eidesstattliche Versicherungen zugrunde: Ein Lehrer von Matthes gab an, zu einer Falschaussage erfolglos bestochen und im Film falsch übersetzt worden zu sein."

Für den Münchner Fernsehautor ist die Tatsache, in den Skandal hineingezogen zu werden, eine Katastrophe. Er ist um seinen Ruf in einer Branche besorgt, in der jeder jeden kennt. Und übt schließlich offene Schelte an der Presse, kritisiert die seines Erachtens einseitige Darstellung in den Medien.

"Auch er betrachtet sich als Opfer. Man versuche, ihn in die „Michael-Born-Nummer“ mitzuversenken. RTL hält sich zurück, betrachtet den Fall als Angelegenheit von „stern TV“. Dort wehrt man sich trotz der Ausstrahlung mehrerer gefälschter Beiträge gegen den Vorwurf, „blauäugig“ zu arbeiten."

Der letzte Satz zeigt, wie sehr das Spiegel-Interview, in dem sich der stern TV-Chef Zaik aufs Glatteis führen ließ, nachwirkt. Doch zurück zum Fall Matthes: Hier heißt die offizielle Sprachregelung, dass stern TV den Fall prüfe. Dies bedeutet nichts anderes, als dass die G+J-Juristen an einem Vergleich arbeiten.

Hinweis: Es mag auf den ersten Blick verwirren, dass RTL in der FAZ auf Distanz zu dem Magazin geht. Aber es ist ein nachvollziehbarer Schritt. Denn stern TV ist wie Spiegel TV eine unabhängige Produktionsgesellschaft, sendet als so genanntes Auflagenprogramm mit einer Lizenz der Firma des Münchner Filmemachers Alexander Kluge, dctp.

Er hatte Anfang der 80er-Jahre mit der Idee Erfolg, die neuen Privatsender zur Ausstrahlung kultureller Programme von unabhängigen Dritten - wie eben dctp - zu verpflichten. Damit setzte sich Kluge bei Lizenzvergaben für Fensterprogramme bei den Sendern RTL oder auch Sat. 1 durch. Seitdem werden die Magazine via dctp ausgestrahlt. 

Die Betonung der Unabhängigkeit zwischen stern TV und RTL geschieht in weiser professioneller Voraussicht. Denn Springer-Journalisten arbeiten mit Hochdruck an einer weiteren Enthüllungsstory. An diesem Samstag kündigt die Bild die „Geständnisse des Fälschers Born“ in der BamS für den kommenden Tag an.

Sonntag, 11. Februar 1996

Die Blatt behauptet, dass der TV-Fälscher auspacken wolle. In einem längeren Artikel beantwortet Born über seinen Würzburger Verteidiger Norman F. Jacob Fragen der Springer-Postille:

"Wie prüfte die Redaktion von „stern TV“ Ihre Berichte auf deren Wahrheitsgehalt? MB: „Es gab keine vertieften Nachprüfungen. Ich war vollkommen überrascht, dass es so einfach war, die beanstandeten Szenen unterzubringen.“ Wusste die Redaktion vor der Ausstrahlung, dass etwas gefälscht war? MB: „Ja, sie wusste davon. Zum Beispiel bei meinen Film über Bomben in Bethlehem. Ein Redakteur hat den Beitrag sogar noch überarbeitet.“ Hatten Sie auch einen Helfer in der Redaktion? MB: „Gezielt geholfen hat mir in der Redaktion eine Person. Haben Sie Verständnis dafür, dass ich den Namen noch nicht nennen kann.“

Im Prozess wird sich herausstellen, von wem der TV-Kujau spricht. Nach Lektüre dieser Zeilen in Deutschlands auflagenstärkstem Sonntagsblatt ist das Wochenende für Jauch und Zaik wohl vollends gelaufen. Die Behauptung, die Redaktion habe von den Fälschungen gewusst oder Born habe gar einen Komplizen gehabt, schlägt nicht nur bei ihnen, sondern auch bei anderen Medien wie eine Bombe ein.

Offensichtlich verunsichert lehnt die Redaktion stern TV Interviewwünsche ab, will sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Und vergibt so gleichzeitig die Gelegenheit, dass ihre Stellungnahme in den Medien sofort Gehör findet und sich in den Artikeln widerspiegelt. Denn nach der bisherigen Eskalation ist sicher, dass keine Tageszeitung ihren Lesern diese Vorwürfe vorenthalten würde.

Es gehört zu den Spielregeln der Zunft, dass Agenturen eine solche Topmeldung unter Hinweis auf die Quelle sofort weiterverbreiten. DPA und AFP schicken noch am selben Tag Meldungen über Borns Behauptungen in der BamS über den Ticker.

Montag, 12. Februar 1996

Die Strategie Borns und seines Anwalts, auflagenstarke Boulevardmedien gezielt zu „füttern“, geht in vollem Umfang auf: Die Nachricht schlägt sich bundesweit in zahlreichen Tageszeitungen nieder, die Gerüchteküche um stern TV kocht. Und Jauch, der erst wenige Tage zuvor im Stern-Interview gesagt hatte, er wolle sich nicht zum Chefkoch einer Gerüchteküche um seine Redaktion machen lassen, gibt den Medien mit seinem Verhalten unfreiwillig das „Salz in die Suppe“.

Damit nicht genug. Weitere Behauptungen im Magazin Focus, das ebenso wie die BamS ein Zwiegespräch mit Borns Rechtsbeistand führt, belasten die Redaktion:

"Ohne Mitwisser in den Redaktionen habe er seine vielen Storys gar nicht verkaufen können. Insgesamt 29 Filmbeiträge habe er zwischen April 1991 und Oktober 1995 allein an „stern TV“ losgeschlagen, rund ein Dutzend davon sei inhaltlich teilweise oder komplett getürkt gewesen. Obwohl man bei „stern TV“ über den fehlenden Wahrheitsgehalt mancher Story informiert gewesen sei, sei sie trotzdem gesendet worden."

Ein Bericht mit einer Reihe von Tatsachenbehauptungen, die ausschließlich auf den Worten des mutmaßlichen TV-Fälschers beruhen. Er beziehungsweise sein Anwalt bleiben die Beweise schuldig, dass die Anzahl der von stern TV ausgestrahlten gefälschten TV-Beiträge tatsächlich so hoch ist. Ebenso unbewiesen bleibt das Statement, die Redaktion habe manipulierte Filme wider besseres Wissen gesendet.

"Sein Mandant, bekräftigt Jacob, „hatte subjektiv den Eindruck“, dass „stern TV“ Nachbesserungen gefordert habe, wenn das vorgelegte - echte - Material nicht spektakulär genug erschien. So seien Szenen von dem in einer Höhle mit Laiendarstellern aufgenommenen angeblichen Treffen deutscher Ku-Klux-Klan-Anhänger ursprünglich gar nicht Borns Idee gewesen. Erst auf eine Anregung hin habe man die Kutten für den nächtlichen Mummenschanz selbst genäht, in der Eile auch ein Hakenkreuz falsch herum platziert."

Die Verteidigungsstrategie Borns ist eindeutig: Er wird sich als Opfer der Sensationsgeilheit der TV-Magazine inszenieren und ganz im Sinne einer Zermürbungstaktik aus seiner Zelle weiter Druck ausüben. Das Szenario, er habe erst auf eine Anregung hin Kutten genäht, ist sicher nach dem Geschmack jedes nach Sensationen lechzenden Journalisten, bleibt aber ohne faktische Substanz.

Es scheint nicht gerade ein Ausweis neutralen journalistischen Selbstverständnisses beim Focus, dass er sich zu keinem Zeitpunkt durch eine Rückfrage in der Redaktion um eine Überprüfung der Behauptungen bemühte. Aus verlagspolitischen Motiven aber nachvollziehbar: In wenigen Tagen begibt sich Burdas neuer TV-Ableger Focus TV in die Quotenschlacht zwischen den Politmagazinen. Da ist der Zeitpunkt günstig, am Image der Konkurrenz zu kratzen.

In Köln platzen die „Geständnisse des TV-Fälschers“ wieder einmal mitten in die Vorbereitungen einer neuen Ausgabe. Angesichts der Bornschen Tiraden und des Nachfragedrucks durch andere Medien, die auf Klarheit in der Sache pochen, kommt stern TV an einer Presseerklärung nicht vorbei.

"Wenn Herr Born Stern TV vorwirft, ihm habe eine Person in der Redaktion gezielt geholfen", sagt Zaik, „dann soll er konkret werden.“ Geradezu absurd sei Borns Behauptung, stern TV habe vor der Ausstrahlung der Reportagen von möglichen Fälschungen gewusst.  „Behauptungen werden auch dann nicht zu Tatsachen, wenn ein Betrüger sie ständig wiederholt und andere sie drucken“, sagt der stern TV-Chefredakteur.“

Ein Seitenhieb Zaiks gegen Kollegen, die in diesen Hochtagen des Skandals die Selbstverpflichtung zur ausgeglichenen Berichterstattung über Bord werfen und sich allzu leichtfertig zum Vehikel der Behauptungen Borns machen lassen. Welche Auswirkungen die Entwicklung der letzten Wochen auf das Verhältnis zum Mutterhaus hat, lässt ein sichtlich genervter Stern-Chefredakteur erahnen. Werner Funk (F) gibt im Fachblatt Medien aktuell (MA) missmutig Auskunft über den TV-Ableger:

"MA: Herr Dr. Funk, die Fernsehreihe „stern TV“ nutzte seinerzeit zum Start den Bekanntheitsgrad des Print-Titels Stern. Jetzt ist „stern TV“ durch eine Reihe getürkter Beiträge ins Gerede gekommen. Schadet das Ihrem Objekt? F: Es nützt jedenfalls nicht. MA: Kommt es vor, dass sich empörte Zuschauer bei Ihnen anstatt beim Fernsehsender RTL melden? F: So gut wie nie. MA: Wäre es Ihnen lieber, „stern TV“ würde sich einen anderen Namen zulegen? F: Nein. MA: Arbeiten Sie mit „stern TV“ ähnlich zusammen wie „Spiegel TV“ mit der Redaktion des Nachrichtenmagazins? F: „Nein.“

 

 

 
 
 
 
 
 
 
„Keine Zusammenarbeit“ - Stern-Chefredakteur Werner Funk in Hamburg geht auf Distanz zu dem in massive Kritik geratenen TV-Ableger aus seinem Konzern in Köln.

 
 

Viel weiter kann das Verhältnis nicht mehr abkühlen. Funk dürfte zu diesem Zeitpunkt darüber informiert gewesen sein, dass stern TV in einigen Stunden Farbe bekennen muss und an offiziellen Gegendarstellungen nicht vorbeikommt. Eine wohl schmerzhafte Vorstellung für den Ex-Chefredakteur des Magazins, der kürzlich seinem Kollegen Klaus Bednarz fälschlicherweise ungezählte Gegendarstellungen vorgehalten hatte.
 
Mittwoch, 14. Februar 1996
 
Die Ausgabe ist denn auch kein wirkliches Highlight in der Geschichte von stern TV. Durch die Hetzjagd der Medien findet Jauch nicht einmal mehr ausreichend Zeit, um sich vorzubereiten. Dafür regnet es Richtigstellungen. So zum Bericht über den Itzheoer Sprachreiseveranstalter, den das Magazin am 26. Mai 1995 im Programm hatte.
 
"Die Ermittlungen ergaben, dass die Sprachschüler fürsorglich und gut betreut wurden und das Unternehmen seit vielen Jahren vor Ort einen guten Ruf genießt. stern TV bedauert, dass durch den gesendeten Beitrag in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck über das Unternehmen „Jürgen Matthes Sprachreisen“ entstanden ist. Vorwürfe gegen stern TV erhebt Herr Matthes nach Einsicht in die Unterlagen von stern TV nicht."
 
Die G+J-Hausjuristen haben ganze Arbeit geleistet. Ihnen ist es in einem Vergleich mit Matthes’ Anwälten ganz offensichtlich gelungen, stern TV aus der Schusslinie zu nehmen. Ein Teilerfolg, über den die Redaktion am nächsten Tag die Medien in einer Presseerklärung unterrichtet. Gleichzeitig zeigt sich, wie hart die Bandagen sind, mit der die Branche kämpft, wenn es darum geht, die eigene Journalistenhaut zu retten.
 
"In diesem Zusammenhang erhebt Herr Matthes Vorwürfe gegen den Münchner Produzenten, von dem stern TV das zugrundeliegende Filmmaterial erworben hat."
 
Die Vorwürfe werden auf den Produzenten Michael Mayr abgewälzt, der zuvor stern TV seinerseits unsauberes Arbeiten unterstellt hatte. Offene Rechnungen werden in diesen Tagen sofort beglichen. 
 
Hart sind auch die Forderungen der Anwälte des schwedischen Möbel-Multis Ikea, der durch einen gefälschten Beitrag bei seinen Käufern in Bedrängnis geraten war und einem schuldlosen Produzenten gekündigt hatte. Die Juristen verlangen, dass die Redaktion in Wort und Bild vollständig die Entstehung des gefälschten Beitrags darstellt und einen Ikea-Vertreter zu Wort kommen lässt.
 
Eine Vorstellung, die angesichts der unklaren Beweislage - was hat Michael Born wirklich in der Hand, und gab es mitunter Helfer in der Redaktion - den Verantwortlichen das blanke Entsetzen in die Augen getrieben haben dürfte.
 
Doch so weit wird es nicht kommen. Jauch zieht es vor, sich an diesem Mittwochabend gleich noch für den gefälschten Ikea-Beitrag zu entschuldigen. Zwar informiert das Magazin so erstmals offensiv die Öffentlichkeit, um nicht erneut von den Medien getrieben zu werden. Dumm ist nur, dass damit die Möglichkeit einer Klage von Ikea - wie sich schnell zeigen wird - nicht aus der Welt ist.