Parallel
dazu unternehmen Medien erste Schritte, um die Hintergründe der Szene zu beleuchten.
Ein Thema: der Kampf um Quoten und Werbegelder im Privatfernsehen. Denn
nirgendwo sonst ist der Wettbewerb unter 15 bundesweit verbreiteten
Privatsendern, zwölf öffentlich-rechtlichen Programmen, Spartenkanälen,
mehreren Lokalsendern und paneuropäischen Konkurrenten so hart geworden wie in
Deutschland. Die DPA ordnet die Vorfälle in eine deutsche Medienlandschaft ein,
die sich grundlegend gewandelt hat:
"Seit fünf Jahren versuchen die Privatsender ARD und ZDF in deren angestammter Domäne, der Information, das Fürchten zu lehren. Gelungen ist dies vor allem bei den Magazinsendungen. (...) Nun wird die Konkurrenz auch untereinander immer härter. Im März startet Focus TV gegen die etablierten Wettbewerber."
Verlagsmanager nennen dies: horizontale Erweiterung - eine in dieser Zeit von vielen Medienkonzernen verfolgte Strategie. Wegen der Erfolge der TV-Ableger von Spiegel und Stern kommen andere Verlage auf die Idee, ihre publizistischen Aktivitäten zu ergänzen und stellen ihren gedruckten Magazinen TV-Formate an die Seite. Folge: Der Druck nach exklusiven Geschichten nimmt weiter zu. Die DPA schließt den Bericht mit dem Zitat eines Produzenten, der wiederum ein dunkles Licht auf das Selbstverständnis in der TV-Branche wirft.
„Ich kenne doch die Magazin-Macher, die warten schweißnass auf die neuesten Quoten. Wenn die hoch sind, war die Sendung gut, Qualität interessiert nicht. Er sprach auch von „viel Druck“, um an harte Szenen heranzukommen. Nun bereiten mehrere Politmagazine neue Enthüllungen über die Praxis der Konkurrenz vor - in der Hoffung auf eine gute Quote."
Mittwoch, 31. Januar 1996
Mit anderen Worten: Unerfreuliche Perspektiven oder eher ein nicht kalkulierbares Risiko für alle, die von Born hereingelegt wurden. So sieht es auch das TV-Magazin der Süddeutschen Zeitung, S-Zett, das neben stern TV und Spiegel TV zu den Abnehmern der Born-Werke gehört. Um sich für mögliche Kontroversen zu wappnen, folgt die SZ dem Beispiel des Spiegel und informiert die Öffentlichkeit über den Betrugsfall im eigenen TV-Magazin. Dabei weicht die SZ zunächst der Polemik über den Sündenbock Jauch aus, gibt ihm sogar Rückendeckung:
"Niemand hat ja bisher behauptet, dass Born plumpe Filme abgeliefert hätte; Filme also, die von jedem Sachverständigen leicht als Fälschung erkennbar gewesen wären."
Natürlich geschieht dies nicht aus Selbstlosigkeit oder aus Verständnis für den Moderator, sondern im Gegenteil vielmehr, um sich selbst eine glaubwürdige Argumentationsbasis zu verschaffen. Hintergrund für das Manöver ist die „Born-Leiche im eigenen Keller“.
"Der Film, der angebliche PKK-Terroristen beim Bau von Bomben zeigte, lief im Sommer 1994 erst in S-Zett, dem Fernsehmagazin der Süddeutschen Zeitung auf Vox, und dann bei stern TV. Selbst Türkei-Experten der SZ-Redaktion, die damals von S-Zett konsultiert wurden, hatten in dem Material keine Anhaltspunkte für Fälschung erkennen können."
In wenigen Zeilen spricht die SZ die Fehlleistung an, vertuscht nicht, sondern erläutert glaubwürdig. Unter dem Strich erübrigen sich so in der Sache weitere Pressenachfragen. Der Artikel bleibt ohne Resonanz unter Kollegen. Sicherlich profitiert die SZ dabei von ihrer hohen journalistischen Glaubwürdigkeit und der Dramatik der aktuellen Situation, in der sich alle Medien auf den TV-Star einschießen:
"Steht (...) Jauch zu Unrecht im Zentrum der Diskussion? Einerseits ja: Er muss den Sündenbock abgeben, hinter dem sich andere Böcke Deckung suchen. Andererseits nein: Wer sich in den Quotenkampf des Fernsehens begibt, der weiß, worauf er sich einlässt."
Übrigens ist bis zu diesem Zeitpunkt über die Fakes kaum etwas an die Öffentlichkeit gelangt. Und tatsächlich: der PKK-Beitrag gehört zu jenen Produkten, in denen es Michael Born auf das Vortrefflichste verstanden hatte, Fakten mit Phantasie zu verbinden. Authentischer Aufhänger ist eine Attentatsserie. Born kombiniert sie mit nachgestellten Bildern von Terroristen beim Bombenbau. So verschafft er der Story Exklusivität und damit eines der nötigen Verkaufsargumente - inklusive dramatischer Bilder.
Zum konkreten Hintergrund: Anhänger der PKK verüben im Frühjahr 1994 in mehreren Touristenzentren an der türkischen Küste Bombenattentate. Bei einem Anschlag in Fethiye am 22. Juni etwa werden zehn Menschen verletzt, darunter sogar zwei Deutsche. Diese Bombenserie ist Borns Ausgangspunkt - den Rest türkt der TV-Kujau, wie noch zu sehen sein wird.
Dass diese „Brillanz“ nicht in jedem der Born vorgeworfenen Fälschungen anzutreffen, sondern eher die Ausnahme ist, zeigt der spätere Prozess. Jauch, der übrigens gerade vom Yellow-Blatt Sieben Tage zum „Absteiger der Woche“ gekürt wird, erhält schließlich Schützenhilfe in der Berliner Zeitung (BZ) - ein Blatt aus dem G+J-Konzern.
"BZ: stern TV ist in mindestens sechs Fällen betrogen worden. (...) In anderen Berichten stehen elf, nicht sechs Berichte. Woher kommt die Differenz? GJ: Die Zahlendifferenz kommt daher, dass bei uns in bislang elf Fällen ermittelt wird. In sechs Fällen ist die Fälschung erwiesen. BZ: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Vorgang? GJ: Wir werden zusätzlich Leute einstellen, die noch stärker jeden Beitrag, der von außen kommt, begleiten. BZ: Fühlen Sie sich ungerecht behandelt? GJ: Mir fällt auf, dass wir zur Aufklärung mit Abstand am meisten beitragen."
Es hätte an dieser Stelle interessiert, was er damit genau meint: Etwa, dass stern TV eine Strafanzeige gestellt hat und andere nicht? Denn es ist bislang völlig unklar, auf welche Weise das Magazin die Ermittlungen unterstützt. Mehr noch: Jauch weicht konkreten Aussagen zu bestimmten Vorwürfen eher aus als sie aus der Welt zu räumen.
Mit keinem Wort etwa geht er auf den in der Öffentlichkeit schwelenden Beitrag über den Sprachreise-Veranstalter aus Itzehoe ein, um seine Redaktion aus der Kritik zu nehmen. Zwar erläutert er erstmals, wie die redaktionellen Sicherungssysteme - eine Vokabel, die er bis dato eher als Worthülse gebraucht hatte - weniger anfällig gegen Betrug gemacht werden sollen.
Aber die Hinweise, mehr Personal einzustellen beziehungsweise den Anteil an Eigenproduktionen zu erhöhen, können nicht ändern, dass sich in der Öffentlichkeit der Eindruck verfestigt, stern TV wolle sich nicht allzu tief in die Karten schauen lassen. Das Interview darf als Pflichtübung gegenüber dem Mutterhaus gewertet werden. Um die journalistische Reputation bei den Lesern zu wahren, befragt die Redakteurin der Berliner Zeitung andere Moderatoren über Standards in ihren Redaktionen.
Barbara Eligmann, Explosiv, RTL: „Wenn uns Autoren ein Thema anbieten, lassen wir sie die Filme nicht allein drehen, sondern stellen ihnen einen eigenen Mitarbeiter zur Seite. Wenn Autoren dies nicht wollen, nehmen wir Abstand.“
Ulrich Meyer, Akte 95, Sat.1: „Ein vierminütiger Film wird bei uns manchmal mehr als zwei Stunden lang abgenommen. Wir vergleichen Angaben, recherchieren gegen, lassen uns das Rohmaterial vorführen, ziehen einen Juristen zu Rate.“
Strenge Kontrolle - die Moderatorin des RTL-Boulevard-Magazin Explosiv, Barbara Eligmann, legt in der Zusammenarbeit mit freien Mitarbeitern klare Regeln an.
"Seit fünf Jahren versuchen die Privatsender ARD und ZDF in deren angestammter Domäne, der Information, das Fürchten zu lehren. Gelungen ist dies vor allem bei den Magazinsendungen. (...) Nun wird die Konkurrenz auch untereinander immer härter. Im März startet Focus TV gegen die etablierten Wettbewerber."
Verlagsmanager nennen dies: horizontale Erweiterung - eine in dieser Zeit von vielen Medienkonzernen verfolgte Strategie. Wegen der Erfolge der TV-Ableger von Spiegel und Stern kommen andere Verlage auf die Idee, ihre publizistischen Aktivitäten zu ergänzen und stellen ihren gedruckten Magazinen TV-Formate an die Seite. Folge: Der Druck nach exklusiven Geschichten nimmt weiter zu. Die DPA schließt den Bericht mit dem Zitat eines Produzenten, der wiederum ein dunkles Licht auf das Selbstverständnis in der TV-Branche wirft.
„Ich kenne doch die Magazin-Macher, die warten schweißnass auf die neuesten Quoten. Wenn die hoch sind, war die Sendung gut, Qualität interessiert nicht. Er sprach auch von „viel Druck“, um an harte Szenen heranzukommen. Nun bereiten mehrere Politmagazine neue Enthüllungen über die Praxis der Konkurrenz vor - in der Hoffung auf eine gute Quote."
Mittwoch, 31. Januar 1996
Mit anderen Worten: Unerfreuliche Perspektiven oder eher ein nicht kalkulierbares Risiko für alle, die von Born hereingelegt wurden. So sieht es auch das TV-Magazin der Süddeutschen Zeitung, S-Zett, das neben stern TV und Spiegel TV zu den Abnehmern der Born-Werke gehört. Um sich für mögliche Kontroversen zu wappnen, folgt die SZ dem Beispiel des Spiegel und informiert die Öffentlichkeit über den Betrugsfall im eigenen TV-Magazin. Dabei weicht die SZ zunächst der Polemik über den Sündenbock Jauch aus, gibt ihm sogar Rückendeckung:
"Niemand hat ja bisher behauptet, dass Born plumpe Filme abgeliefert hätte; Filme also, die von jedem Sachverständigen leicht als Fälschung erkennbar gewesen wären."
Natürlich geschieht dies nicht aus Selbstlosigkeit oder aus Verständnis für den Moderator, sondern im Gegenteil vielmehr, um sich selbst eine glaubwürdige Argumentationsbasis zu verschaffen. Hintergrund für das Manöver ist die „Born-Leiche im eigenen Keller“.
"Der Film, der angebliche PKK-Terroristen beim Bau von Bomben zeigte, lief im Sommer 1994 erst in S-Zett, dem Fernsehmagazin der Süddeutschen Zeitung auf Vox, und dann bei stern TV. Selbst Türkei-Experten der SZ-Redaktion, die damals von S-Zett konsultiert wurden, hatten in dem Material keine Anhaltspunkte für Fälschung erkennen können."
In wenigen Zeilen spricht die SZ die Fehlleistung an, vertuscht nicht, sondern erläutert glaubwürdig. Unter dem Strich erübrigen sich so in der Sache weitere Pressenachfragen. Der Artikel bleibt ohne Resonanz unter Kollegen. Sicherlich profitiert die SZ dabei von ihrer hohen journalistischen Glaubwürdigkeit und der Dramatik der aktuellen Situation, in der sich alle Medien auf den TV-Star einschießen:
"Steht (...) Jauch zu Unrecht im Zentrum der Diskussion? Einerseits ja: Er muss den Sündenbock abgeben, hinter dem sich andere Böcke Deckung suchen. Andererseits nein: Wer sich in den Quotenkampf des Fernsehens begibt, der weiß, worauf er sich einlässt."
Übrigens ist bis zu diesem Zeitpunkt über die Fakes kaum etwas an die Öffentlichkeit gelangt. Und tatsächlich: der PKK-Beitrag gehört zu jenen Produkten, in denen es Michael Born auf das Vortrefflichste verstanden hatte, Fakten mit Phantasie zu verbinden. Authentischer Aufhänger ist eine Attentatsserie. Born kombiniert sie mit nachgestellten Bildern von Terroristen beim Bombenbau. So verschafft er der Story Exklusivität und damit eines der nötigen Verkaufsargumente - inklusive dramatischer Bilder.
Zum konkreten Hintergrund: Anhänger der PKK verüben im Frühjahr 1994 in mehreren Touristenzentren an der türkischen Küste Bombenattentate. Bei einem Anschlag in Fethiye am 22. Juni etwa werden zehn Menschen verletzt, darunter sogar zwei Deutsche. Diese Bombenserie ist Borns Ausgangspunkt - den Rest türkt der TV-Kujau, wie noch zu sehen sein wird.
Dass diese „Brillanz“ nicht in jedem der Born vorgeworfenen Fälschungen anzutreffen, sondern eher die Ausnahme ist, zeigt der spätere Prozess. Jauch, der übrigens gerade vom Yellow-Blatt Sieben Tage zum „Absteiger der Woche“ gekürt wird, erhält schließlich Schützenhilfe in der Berliner Zeitung (BZ) - ein Blatt aus dem G+J-Konzern.
"BZ: stern TV ist in mindestens sechs Fällen betrogen worden. (...) In anderen Berichten stehen elf, nicht sechs Berichte. Woher kommt die Differenz? GJ: Die Zahlendifferenz kommt daher, dass bei uns in bislang elf Fällen ermittelt wird. In sechs Fällen ist die Fälschung erwiesen. BZ: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Vorgang? GJ: Wir werden zusätzlich Leute einstellen, die noch stärker jeden Beitrag, der von außen kommt, begleiten. BZ: Fühlen Sie sich ungerecht behandelt? GJ: Mir fällt auf, dass wir zur Aufklärung mit Abstand am meisten beitragen."
Es hätte an dieser Stelle interessiert, was er damit genau meint: Etwa, dass stern TV eine Strafanzeige gestellt hat und andere nicht? Denn es ist bislang völlig unklar, auf welche Weise das Magazin die Ermittlungen unterstützt. Mehr noch: Jauch weicht konkreten Aussagen zu bestimmten Vorwürfen eher aus als sie aus der Welt zu räumen.
Mit keinem Wort etwa geht er auf den in der Öffentlichkeit schwelenden Beitrag über den Sprachreise-Veranstalter aus Itzehoe ein, um seine Redaktion aus der Kritik zu nehmen. Zwar erläutert er erstmals, wie die redaktionellen Sicherungssysteme - eine Vokabel, die er bis dato eher als Worthülse gebraucht hatte - weniger anfällig gegen Betrug gemacht werden sollen.
Aber die Hinweise, mehr Personal einzustellen beziehungsweise den Anteil an Eigenproduktionen zu erhöhen, können nicht ändern, dass sich in der Öffentlichkeit der Eindruck verfestigt, stern TV wolle sich nicht allzu tief in die Karten schauen lassen. Das Interview darf als Pflichtübung gegenüber dem Mutterhaus gewertet werden. Um die journalistische Reputation bei den Lesern zu wahren, befragt die Redakteurin der Berliner Zeitung andere Moderatoren über Standards in ihren Redaktionen.
Barbara Eligmann, Explosiv, RTL: „Wenn uns Autoren ein Thema anbieten, lassen wir sie die Filme nicht allein drehen, sondern stellen ihnen einen eigenen Mitarbeiter zur Seite. Wenn Autoren dies nicht wollen, nehmen wir Abstand.“
Ulrich Meyer, Akte 95, Sat.1: „Ein vierminütiger Film wird bei uns manchmal mehr als zwei Stunden lang abgenommen. Wir vergleichen Angaben, recherchieren gegen, lassen uns das Rohmaterial vorführen, ziehen einen Juristen zu Rate.“
Strenge Kontrolle - die Moderatorin des RTL-Boulevard-Magazin Explosiv, Barbara Eligmann, legt in der Zusammenarbeit mit freien Mitarbeitern klare Regeln an.
Von
den Interviewpartnern hätte stern TV
lernen können: In diesen kurzen und plastischen Statements erfährt die
Öffentlichkeit ungleich mehr Details zum Thema innerredaktionelle
Sicherungssysteme als in der Vergangenheit durch das Magazin selbst.
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