Freitag, 24. April 2015

Der Fake Faktor - Der TV-Kujau Michael Born

Der Moment ist günstig, um die Person Michael Born, der es gelang, stern TV in kürzester Zeit so ungemein ins Straucheln zu bringen, vorzustellen: Hans-Michael Born, zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung 37 Jahre alt, einmal geschieden und Vater dreier Kinder kommt zum TV-Journalismus wie die Jungfrau zum Kinde.

Im Anschluss an die mittlere Reife tingelt er mit einem Freund als Musikantenduo „Flop“ durch seine Heimatstadt Lahnstein. In den 70er Jahren besucht er die Fachoberschule für Nautik in Hamburg, heuert als dritter Offizier auf einer Ostseefähre an. 1982 heiratet er, übernimmt die Zoohandlung der Mutter, produziert 160.000 Mark Schulden und schlittert in die Pleite. Wenig später geht auch die Ehe in die Brüche.






„Schlampig, journalistisch untalentiert, aber risikobereit“ - das Image des TV-Fälschers in den Magazin-Redaktionen ist umstritten, trotzdem werden seine Beiträge jahrelang versendet und erzielen hohe Quoten.   


 


Nach diesem Fiasko beschließt Born, die Welt „künftig als Journalist zu beschreiben“. Der Zeitpunkt - 1986 - ist günstig. Die ersten privaten Fernsehsender sind seit Kurzem am Start. Wer mit einer Videokamera halbwegs wackelfreie Bilder liefern kann, wird engagiert. Born gründet eine Firma, deren Name gleichzeitig sein Programm wird: Trans-World-Pictures / Reportagen, TV-Produktionen, Risikoeinsätze.

Er berichtet aus Angola und Eritrea, ist im Jemen, im Irak, in Somalia (als Nahostexperte sitzt Born Ende 1992 sogar bei Erich Böhmes Talk im Turm). Der Hasardeur ist als Kriegsreporter im Iran, in Afghanistan, immer wieder auch in Ex-Jugoslawien oder im Libanon. Hier wird 1987 der deutsche Ingenieur Rudolf Cordes von der Hisbollah entführt.

Born wird hellhörig. Grund: Sein Freund Abudi steht mit der Familie der als Tatbeteiligte in Deutschland inhaftierten Brüder Mohammed und Abbas Hamadi in Kontakt. Abudi stammt ebenso wie die Familie Hamadi aus demselben Beiruter Vorort. Mehr noch: Die Eltern der inhaftierten Brüder sind gute Freunde von Abudis Mutter.

Er wittert eine Riesenchance und beschließt, „etwas für den entführten Cordes zu tun“. Gemeinsam mit seinem Freund und ausgestattet mit einem Schreiben des stellvertretenden Botschafters des Irans, in dem die Hisbollah eindringlich vor Übergriffen gegen seine Person gewarnt wird, reist er in die libanesische Hauptstadt.

Hier jagen sie Rudolf Cordes hinterher. „Unsere Berichte aus dem Libanon liefen damals in der BBC, bei der ARD und im ZDF“, erklärt Born stolz. Seine damaligen Beiträge sind offenbar nicht zu beanstanden. Er sagt, er wolle mit seiner Arbeit immer auch helfen, aufrütteln, Öffentlichkeit schaffen.

Born gibt allerdings zu verstehen, auch das Image eines risikobereiten Reporters gepflegt zu haben, der besorgte, was Korrespondenten nicht liefern konnten: härteste Frontaufnahmen aus Krisengebieten. „Wann immer Sender sie brauchten“, erklärt Born, „klopften sie bei mir an und bekamen meist, was sie wollten.“

Anderes Beispiel: seine Reise nach Tunis, um Jassir Arafat im Exil zu interviewen. Der Palästinenserführer gewährt ihm tatsächlich eine kurze Audienz. Für das dürftige Interview interessiert sich zwar kein Sender. Aber Born kann fortan mit einem Foto in den Redaktionen prahlen, das ihn mit Arafat zeigt.

Ein journalistisches Anliegen spricht Christian Bock vom S-Zett-Magazin Born ab. Er lernt ihn Ende der 80er-Jahre in der Redaktion des Magazins Klartext des Münchner Senders Tele 5 kennen. Für Klartext dreht Born Filme über Opfer des Iran-Irak-Krieges, die sich in Deutschland behandeln lassen, oder über Schlepper, die Asylanten illegal über die Alpen in die Bundesrepublik schleusen.

Dieser Film stößt erstmals einer Redaktion auf. 1991 versendet das ARD-Magazin ZAK die Aufnahmen exklusiv, um dann durch Zuschauer zu erfahren, dass der Schlepperfilm zuvor schon auf Tele 5 zu sehen war. „Unseriöses Geschäftsgebaren“ sei der Grund dafür gewesen, dass ZAK die Zusammenarbeit beendete, so Moderator Friedrich Küppersbusch. Natürlich habe man daraufhin Kollegen anderer Redaktionen vor Born gewarnt.

Die Fernsehszene beurteilt Borns Qualitäten schon damals eher zurückhaltend. Er sei ein miserabler Kameramann, und von Journalismus verstehe er auch nichts. Trotzdem reüssiert er mit seinen Beiträgen bei Sendern wie Pro 7, Vox, RTL oder dem Schweizer Fernsehen DRS. 

Mitte der 90er-Jahre entwickelt er einen Faible für die Naziszene, was ihm schließlich zum Verhängnis wird. Am 7. September 1994 strahlt stern TV den Bericht über angebliche Aktivitäten des US-Geheimbundes Ku-Klux-Klan in Deutschland aus, worin Kapuzenmänner in einer Felsenhöhle bei Mendig/Eifel ein Kreuz verbrennen und Naziparolen skandieren. Daraufhin nimmt die Staatsanwaltschaft Koblenz ihre Ermittlungen auf. Wenig später sitzt Michael Born in Untersuchungshaft.

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