Samstag,
27. Januar 1996
In einem ausführlichen Interview, das die SZ nach der verpatzten Sendung führt, wird Jauchs Verunsicherung nach der ersten Welle der medialen Entrüstung deutlich. Er steckt mitten in einem zweiten und diesmal gemeinsam mit seinem Chefredakteur verschuldeten Skandal.
"Die Stimme des routinierten Moderators bebt, überschlägt sich, atemlos schreit Günther Jauch ins Telefon: (...) „Das ist ein Vernichtungskampf.“ Es geht um seinen Ruf als seriöser Moderator, um stern TV, um elf mutmaßlich gefälschte Beiträge des Journalisten Michael Born, die das Fernsehmagazin gekauft hat."
Doch als ob die Situation nicht schon verfahren genug wäre, setzt Jauch in seiner Erregung eine weitere Spitze gegen Kollegen in anderen Magazinen:
„Die Konkurrenz will uns fertig machen“, sagt Jauch. Er hat sich etwa damit entschuldigt, Born habe eidesstattliche Versicherungen unterschrieben, seine Filme seien korrekt. (...) Magazin-Macher von Frontal (ZDF) und Spiegel TV sagen, dass es völlig unüblich sei, solche Erklärungen von TV-Produzenten zu verlangen. (...) Jeder versucht gerade, seinen dreckigen Kaugummi ans Jacket des anderen zu kleben".
Die Einsicht kommt zu spät. Übersieht er etwa, durch seine Kollegenschelte selbst einen Prozess in Gang gesetzt zu haben, der nur dazu führen konnte, dass sich andere Medien umso aggressiver den Hauptbetroffenen vornehmen würden? Der SZ ist der Hinweis auf den Fehler in der Frontal-Sendung ebenfalls nicht entgangen:
"Ein fataler Schlussgag, denn nun besteht der Verdacht, dass auch ein Redakteur von stern TV in die Machenschaften eingeweiht war. (...) ZDF-Moderator Bodo Hauser: „Wenn das aber ein (...) Redakteur von stern TV ist und der bei Dreharbeiten von Born dabei war, dann muss er doch von dessen Machenschaften gewusst haben.“ (...) Weder der Chefredakteur von stern TV, Andreas Zaik, noch Moderator Günther Jauch wussten bis zum Gespräch mit der SZ, dass ein Verdacht gegen den früheren Mitarbeiter besteht."
Der Schlusssatz ist gleichzeitig ein erster Hinweis darauf, dass die Dramatik des Skandals die zeitlichen Kapazitäten Jauchs und Zaiks zu sprengen beginnt. Ihnen scheint der Draht zum aktuellen Stand der Ermittlungen verloren zu gehen - sie werden zum Opfer ihrer eigenen Aktualität. Jauch:
"Was ist, wenn der Verdacht sich bestätigt? „Das kann nicht sein, aber das wäre für stern TV katastrophal.“
Jemand, der seiner Redaktion volles Vertrauen entgegenbringt, muss eine solche Frage kategorisch verneinen. Aber Jauch kann nicht ganz ausschließen, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein könnte. Dies erklärt auch, warum er während des gesamten Skandals immer betont, er persönlich habe zu keinem Zeitpunkt von Fälschungen gewusst oder gar daran mitgearbeitet.
Ein Kommunikations-Gau. Die SZ gilt als eines der renommiertesten Blätter. Sie ist Pflichtlektüre für andere Redakteure, die nicht selten SZ-Meldungen umschreiben, um sie dann selbst zu verwerten. Auf diese Weise setzt die Zeitung aus München auch Themen für andere Medien.
Wenn die SZ also eine solche Frage aufwirft, nehmen nicht nur alle anderen deutschen Tagezeitungen davon Notiz, sondern dies auch zum Anlass, diese Frage selbst zu stellen. Darunter auch die Spiegel-Redaktion von Stefan Aust:
"Es geht um einen Film eines Münchner Produzenten, der (...) in den Sendungen Indiskret (MDR), hautnah (Pro 7) und auch stern TV im Sommer 96 ausgestrahlt worden ist. (...) Der Reiseveranstalter Jürgen Matthes hat gegen die Ausstrahlung eine einstweilige Verfügung erwirkt, (...) die die Korrektheit des Berichts in Zweifel zieht. Das wird noch eine blutige Schlacht, öffentlich ausgetragen und zum Schaden aller“, sagt Jauch.
Er wird in jeder Hinsicht Recht behalten. Zunächst ist Borns ominöser V-Mann in der Redaktion des Magazins, der ohne die Attacke des Moderators gegen die Frontal-Kollegen nie entdeckt worden wäre, aber auch für die AZ Anlass für einen weiteren Seitenhieb:
"Jauch teilte Spitzen an die Kollegen von Frontal aus. Da stutzte Oberstaatsanwalt Weise, der in dem TV-Skandal ermittelt. (...) Jauchs Entgleisung könnte auch Folgen für ihn selbst haben. Beim ZDF überlegt man, den Sport-Studio-Moderator rauszuschmeißen."
Für den Wechselgänger zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendeanstalten gerät erstmals die berufliche Karriere ins Wanken. Zur Erinnerung: Jauch moderiert zu dieser Zeit neben stern TV bei RTL auch die Champions League und alle fünf Wochen das Aktuelle Sportstudio beim ZDF. Zudem ist er als Kommentator für die 26. Olympischen Sommerspiele in Atlanta bereits fest gebucht.
Spätestens jetzt droht der Skandal zum beruflichen Fiasko zu werden. Der journalistische Feldzug gegen Jauch und die Vorwürfe, die sich Fernsehmagazine in der Fälschungsdebatte gegenseitig machen, gewinnen an Fahrt. Daran ändert auch der Appell des LfR-Direktors, Norbert Schneider, eigenes Fehlverhalten solle nicht mit dem Fehlverhalten anderer aufgewogen werden, nichts mehr.
Sonntag, 28. Januar 1996
Jauch gerät in zwei fast zeitgleichen TV-Sendungen dann zwischen alle Fronten: In Spiegel TV um 22.10 Uhr auf RTL befasst sich Aust - nach längerer Abstinenz eigens hierfür auf den Bildschirm zurückkehrt - mit Jauch persönlich - wegen des Falschhinweises auf einen getürkten Born-Beitrag in Spiegel TV über den angeblichen Diebstahl der Urne mit der Asche des Neonazi-Führers Michael Kühnen:
Dienstag,
30. Januar 1996
In einem ausführlichen Interview, das die SZ nach der verpatzten Sendung führt, wird Jauchs Verunsicherung nach der ersten Welle der medialen Entrüstung deutlich. Er steckt mitten in einem zweiten und diesmal gemeinsam mit seinem Chefredakteur verschuldeten Skandal.
"Die Stimme des routinierten Moderators bebt, überschlägt sich, atemlos schreit Günther Jauch ins Telefon: (...) „Das ist ein Vernichtungskampf.“ Es geht um seinen Ruf als seriöser Moderator, um stern TV, um elf mutmaßlich gefälschte Beiträge des Journalisten Michael Born, die das Fernsehmagazin gekauft hat."
Doch als ob die Situation nicht schon verfahren genug wäre, setzt Jauch in seiner Erregung eine weitere Spitze gegen Kollegen in anderen Magazinen:
„Die Konkurrenz will uns fertig machen“, sagt Jauch. Er hat sich etwa damit entschuldigt, Born habe eidesstattliche Versicherungen unterschrieben, seine Filme seien korrekt. (...) Magazin-Macher von Frontal (ZDF) und Spiegel TV sagen, dass es völlig unüblich sei, solche Erklärungen von TV-Produzenten zu verlangen. (...) Jeder versucht gerade, seinen dreckigen Kaugummi ans Jacket des anderen zu kleben".
Die Einsicht kommt zu spät. Übersieht er etwa, durch seine Kollegenschelte selbst einen Prozess in Gang gesetzt zu haben, der nur dazu führen konnte, dass sich andere Medien umso aggressiver den Hauptbetroffenen vornehmen würden? Der SZ ist der Hinweis auf den Fehler in der Frontal-Sendung ebenfalls nicht entgangen:
"Ein fataler Schlussgag, denn nun besteht der Verdacht, dass auch ein Redakteur von stern TV in die Machenschaften eingeweiht war. (...) ZDF-Moderator Bodo Hauser: „Wenn das aber ein (...) Redakteur von stern TV ist und der bei Dreharbeiten von Born dabei war, dann muss er doch von dessen Machenschaften gewusst haben.“ (...) Weder der Chefredakteur von stern TV, Andreas Zaik, noch Moderator Günther Jauch wussten bis zum Gespräch mit der SZ, dass ein Verdacht gegen den früheren Mitarbeiter besteht."
Der Schlusssatz ist gleichzeitig ein erster Hinweis darauf, dass die Dramatik des Skandals die zeitlichen Kapazitäten Jauchs und Zaiks zu sprengen beginnt. Ihnen scheint der Draht zum aktuellen Stand der Ermittlungen verloren zu gehen - sie werden zum Opfer ihrer eigenen Aktualität. Jauch:
"Was ist, wenn der Verdacht sich bestätigt? „Das kann nicht sein, aber das wäre für stern TV katastrophal.“
Jemand, der seiner Redaktion volles Vertrauen entgegenbringt, muss eine solche Frage kategorisch verneinen. Aber Jauch kann nicht ganz ausschließen, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein könnte. Dies erklärt auch, warum er während des gesamten Skandals immer betont, er persönlich habe zu keinem Zeitpunkt von Fälschungen gewusst oder gar daran mitgearbeitet.
Ein Kommunikations-Gau. Die SZ gilt als eines der renommiertesten Blätter. Sie ist Pflichtlektüre für andere Redakteure, die nicht selten SZ-Meldungen umschreiben, um sie dann selbst zu verwerten. Auf diese Weise setzt die Zeitung aus München auch Themen für andere Medien.
Wenn die SZ also eine solche Frage aufwirft, nehmen nicht nur alle anderen deutschen Tagezeitungen davon Notiz, sondern dies auch zum Anlass, diese Frage selbst zu stellen. Darunter auch die Spiegel-Redaktion von Stefan Aust:
"Es geht um einen Film eines Münchner Produzenten, der (...) in den Sendungen Indiskret (MDR), hautnah (Pro 7) und auch stern TV im Sommer 96 ausgestrahlt worden ist. (...) Der Reiseveranstalter Jürgen Matthes hat gegen die Ausstrahlung eine einstweilige Verfügung erwirkt, (...) die die Korrektheit des Berichts in Zweifel zieht. Das wird noch eine blutige Schlacht, öffentlich ausgetragen und zum Schaden aller“, sagt Jauch.
Er wird in jeder Hinsicht Recht behalten. Zunächst ist Borns ominöser V-Mann in der Redaktion des Magazins, der ohne die Attacke des Moderators gegen die Frontal-Kollegen nie entdeckt worden wäre, aber auch für die AZ Anlass für einen weiteren Seitenhieb:
"Jauch teilte Spitzen an die Kollegen von Frontal aus. Da stutzte Oberstaatsanwalt Weise, der in dem TV-Skandal ermittelt. (...) Jauchs Entgleisung könnte auch Folgen für ihn selbst haben. Beim ZDF überlegt man, den Sport-Studio-Moderator rauszuschmeißen."
Für den Wechselgänger zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendeanstalten gerät erstmals die berufliche Karriere ins Wanken. Zur Erinnerung: Jauch moderiert zu dieser Zeit neben stern TV bei RTL auch die Champions League und alle fünf Wochen das Aktuelle Sportstudio beim ZDF. Zudem ist er als Kommentator für die 26. Olympischen Sommerspiele in Atlanta bereits fest gebucht.
Spätestens jetzt droht der Skandal zum beruflichen Fiasko zu werden. Der journalistische Feldzug gegen Jauch und die Vorwürfe, die sich Fernsehmagazine in der Fälschungsdebatte gegenseitig machen, gewinnen an Fahrt. Daran ändert auch der Appell des LfR-Direktors, Norbert Schneider, eigenes Fehlverhalten solle nicht mit dem Fehlverhalten anderer aufgewogen werden, nichts mehr.
Sonntag, 28. Januar 1996
Jauch gerät in zwei fast zeitgleichen TV-Sendungen dann zwischen alle Fronten: In Spiegel TV um 22.10 Uhr auf RTL befasst sich Aust - nach längerer Abstinenz eigens hierfür auf den Bildschirm zurückkehrt - mit Jauch persönlich - wegen des Falschhinweises auf einen getürkten Born-Beitrag in Spiegel TV über den angeblichen Diebstahl der Urne mit der Asche des Neonazi-Führers Michael Kühnen:
"Vergangene Woche versuchte sich Günther Jauch auf Kosten der Konkurrenz von der
Misere zu befreien. Er vergaß zu erwähnen, dass wir die Aussagen der
angeblichen Urnenklauer eben nicht für bare Münze genommen hatten."
Und
tatsächlich: Spiegel TV hatte die
Behauptungen der vermummten Autonomen nicht kritiklos hingenommen, sondern
Zweifel geäußert. Jauch liefert ungewollt eine neue Vorlage, auf die Aust nur
allzu gerne reagiert. Es ist einmal mehr erstaunlich, wie leichtfertig Jauch
mit verifizierbaren Informationen umzugehen scheint.
"Das arme Fälschungsopfer war auch Täter. Jauch und seine Leute haben sich den
Beitrag zurechtgeschnitten. (...) Szenen
aus dem Zusammenhang reißen, übertexten, weglassen, was nicht ins Konzept passt
- auch das ist Fälschung, lieber Günther Kujauch! "
Von
der Wortakrobatik auf dem Konkurrenzkanal - Aust spielt mit „Kujauch“ auf die
Hitler-Tagebücher des Stern-Fälschers Konrad Kujau an - bekommt der
nichts mit. Er sitzt um diese Zeit in einem Berliner Hotel unter anderem neben Monitor-Chef
Klaus Bednarz und Medienkritiker Dietrich Lederer als Gast in Erich Böhmes
Sat.1-Sendung Talk im Turm. Thema:
Kann man dem Fernsehen noch trauen?
Am
Pranger im TV-Studio - Jauch gelingt es nicht, die harten Beschuldigungen
seines Kritikers Klaus Bednarz zu parieren; Erich Böhme versucht mit ironischem
Unterton vergeblich zu vermitteln.
Gut
90 Minuten später ist sein Live-Auftritt vor 3,72 Millionen Zuschauern, darunter
die versammelte deutsche TV-Kritik, zum Fanal geraten. Inmitten zweier
TV-Inquisitoren vergibt er seine vielleicht letzte Gelegenheit, mit den weiter
um sich greifenden Gerüchten Tabula Rasa zu machen.
Es
ist sein Geheimnis, warum er Vorwürfe von Bednarz und Böhme nicht lückenlos
entkräftigt, sondern den Eindruck hinterlässt, nur unzureichend über bestimmte
Themen informiert zu sein. Hinweise auf diese gibt es im Vorfeld zur Genüge. Jauch,
der ja über alle Meldungen auf dem Laufenden ist, weiß, dass ein Itzehoer
Reiseveranstalter in diesen Tagen ein Dossier an sämtliche Tageszeitungen
verschickt. Darin wirft er stern TV
vor, in einem Beitrag ein falsches Bild seines Unternehmens gezeichnet zu
haben. Er musste damit rechnen, dass dieses Thema früher oder später virulent
werden würde.
Zurück zu
Jauchs Auftritt, der sich weniger in der Rolle des reuigen Interviewpartners
sieht als in der des Ermahners. Sein Konterpart Bednarz ist wenig beeindruckt,
wie die SZ am nächsten Tag dokumentiert:
"Er beschuldigte Jauch, auch einen anderen, nachweislich gefälschten Film
(Sprachreisen, d. Red) von einem anderen Autoren gesendet zu haben. „Zu diesem
Fall gibt es ein rechtskräftiges Urteil.“ (...) Doch Bednarz lag falsch. Es
gibt kein rechtskräftiges Urteil, das wird erst am 12. Februar in Hamburg
verkündet."
Was
indes existiert, ist eine einstweilige Verfügung gegen den Film, die Jauch mit
dem darin genannten Termin für das rechtskräftige Urteil auch vorliegt. So
kann er zwar zunächst auch die Angriffe von Bednarz mit dem Hinweis auf die
Vorläufigkeit des Urteils kontern, gewinnt für kurze Zeit sogar Oberwasser,
lässt sich dann aber mit dem Monitor-Chef auf einen formaljuristischen
Schlagabtausch ein, der weder Publikum noch Kritiker überzeugt.
Mehr noch: Er
wird wenige Minuten später durch eine unbedachte Behauptung die bereits
angespannte Atmosphäre weiter aufladen. Daneben
schwelt eine weitere Baustelle als Behauptung in der Öffentlichkeit: Das
ARD-Satiremagazin ZAK will stern TV vor Längerem auf die dubiosen
Praktiken des TV-Fälschers hingewiesen haben - auch um dieses Thema muss Jauch
aus der Presse wissen. Doch
er will oder kann dies nicht bestätigen und wird einmal mehr zum Opfer der
Medien, deren Federn gespitzt sind.
Der
TV-Auftritt ist der Bild zwei Tage später den Titel „Größter
TV-Skandal des Jahres“ wert:
"Jauch bezieht Prügel von allen Seiten. (...) Erich Böhme moderiert Talk im
Turm. Böhme: „Kollege Günther Jauch ist den meisten Fälschungen aufgesessen.
(...) Ist bei Monitor noch nie was passiert?“ Bednarz: „Wir haben auch
Fehler gemacht. Nur Herr Jauch, Sie haben andere Fälschungen gesendet.
Bei diesem Bericht ging es um eine Norddeutsches Reisebüro, das Sprachreisen
nach England vermittelt, und Ihr Autor wollte nachweisen, dass es in England
seiner Aufsichtspflicht nicht nachkommt."
Zu
allem Überfluss lässt sich Deutschlands beliebtester Moderator in seiner
schwersten TV-Stunde noch zu der folgenschweren Falschbehauptung hinreißen:
„Herr Bednarz hat unzählige Gegendarstellungen.“ Bednarz: (...) „Ich glaube,
ich habe seit vier Jahren keine Gegendarstellung mehr gesendet. Herr Jauch, was
behaupten Sie hier? Sie sollten nicht nur in der Sendung nicht mit Fälschungen
arbeiten, sondern hier auch nicht. Indem Sie hier Falsches behaupten!"
Danach
ist die Stimmung für eine weitere sachliche Diskussion zwischen den beiden
Kontrahenten verdorben. Warum der in der emotional aufgeheizten Sendung das
Thema Gegendarstellungen anspricht - sie sind so etwas wie ein journalistischer
Offenbarungseid - bleibt sein Geheimnis.
Aber
Jauch weiß, dass sie Redaktionsverantwortliche wie kaum etwas anderes in Rage
bringen. Autoren, die eine Gegendarstellung wegen mangelhafter Recherche zu verantworten
haben, müssen dafür mit einem blauen Brief durch die Chefredaktion rechnen. Und
nun lässt er sich zu einer Behauptung hinreißen, die so - weil überprüfbar -
nicht zutrifft.
Damit
bringt er völlig unnötig weitere Polemik in die ohnehin emotional aufgeladene,
medial verbreitete Auseinandersetzung. Er scheint sich wie jemand zu verhalten,
der alles daran setzt, die Situation zu verschärfen, und nicht wie ein
Hauptbetroffener, dessen Ziel es sein sollte, den Skandal so schnell wie
möglich aus den Schlagzeilen zu manövrieren.
Es
ist eisernes Journalistengesetz, dass sich lauernde Branchenkollegen solche
Fehltritte nicht entgehen lassen. In Windeseile sticht die AZ nach. Auch Autor
Kuhn nähert sich dabei gleichzeitig dem Höhepunkt seines Scoops:
"Klaus Bednarz hat ihm bei Talk im Turm den Fernseh-Krieg erklärt: Weil er auf
„Windhunde“ hereinfiel (...), habe er die Glaubwürdigkeit des Fernsehens
ruiniert! (...) „Fast drängt sich mir
der Verdacht auf, dass man bei stern TV um die Problematik der Born-Berichte
gewusst hat.“
Kuhn
hat die Sendung am Bildschirm verfolgt und setzt sich am nächsten Tag mit einem
vor Wut überschäumenden Bednarz in Verbindung. Der verrät ihm Details, von
denen die Zuschauer daheim keine Notiz nehmen konnten. Nun gelangen sie an die
Öffentlichkeit. Das dabei vermittete Bild: Jauch, ein Gehetzter der
Medien.
"In der Werbepause stürmte Jauch aus dem Saal ans Telefon, wollte sich offenbar
mit seinem Anwalt beraten. Zurück kam er mit einer knallharten Drohung an Klaus
Bednarz: „Er sagte zu mir, dass ich mich zurückhalten solle, mich auf dünnem
Eis bewegen würde.“ Der Beginn einer Schlammschlacht."
Auch
der Berliner Tagesspiegel gibt seinen
Lesern Eindrücke des in der Mediengeschichte bisher einmaligen Ereignisses, bei
dem Böhme seinen „Freund und Kollegen Jauch“ schmunzelnd fragte, wie denn das
nun gewesen sei mit diesem Michael Born:
"Viele wahre Reportagen habe man gesendet, antwortete der stern TV-Mann
(dem ein Zucken die ganze Sendung über nicht aus dem Gesicht wollte), und
leider ein paar ganz falsche. Bednarz mimte den öffentlich-rechtlichen
Saubermann. Jauch den reuigen Saubermann, der jetzt alles besser machen
will. Was zum Beispiel? Redakteure entlassen, die etwas gewusst haben?
„Wer von Fälschungen wusste, kriegt die Kündigung.“
Er
gibt mit dieser Äußerung einmal mehr Gerüchten Auftrieb, dass er nicht wisse,
was hinter den Kulissen des Journalistenalltags in seiner Redaktion an der
Recherche vorbei alles vor sich geht. Und vielleicht weiß er es wirklich nicht
besser: Er verbringt nur wenige Tage in der Kölner Redaktion, reist in der
Regel zum Wochenbeginn an und verlässt Köln nach der Sendungskritik
Donnerstagsnachmittag.
Mit
Ankauf oder Produktion von Beiträgen hat Jauch nichts zu tun, nur bei der
Auswahl von Themen und Studiogästen entscheidet er mit. Redaktionsinterna
interessieren ihn eher am Rande, über alle ungewöhnlichen Vorkommnisse lässt er
sich telefonisch informieren - eigentlich überlässt er das Geschäft der
redaktionellen Routine seinem Chefredakteur.
Selbstredend
hat die SZ den denkwürdigen TV-Auftritt aufgeschnappt. In dem Artikel spielen
zwar auch die Vorwürfe Austs eine Rolle, aber der Autor geht der Aussage Jauchs
nach, nie habe jemand in der Branche einen Verdacht gegen Born geäußert:
"Worauf Erich Böhme erzählte, dass auch das ARD-Magazin ZAK einen mutmaßlich
falschen Born-Beitrag ausgestrahlt hat. Danach aber (...) habe diese Redaktion
nicht mehr mit diesem Journalisten zusammengearbeitet. „Das muss sich
doch unter Kollegen herumsprechen“, sagte Böhme."
Weiß
Jauch es wirklich nicht besser? Eigentlich muss ihm bekannt sein, dass sein
Intimus Andreas Zaik vor seinem Wechsel zu dem Politmagazin mehrere Jahre für
die ZAK-Redaktion beim WDR
in Köln tätig war. Wie schon einmal gefragt: Ist es eher wahrscheinlich oder
nicht, dass sich im Zuge einer langjährigen Tätigkeit freundschaftliche
Kontakte zwischen Redakteuren bilden - so genannte Branchenkontakte -, die auch
nach einem Wechsel weiter funktionieren und über die etwa Interna über
Redaktionsgrenzen hinweg ausgetauscht werden?
Offener
Schlagabtausch - Jauch und Bednarz bekämpfen sich gegenseitig mit
eidesstattlichen Versicherungen, unzutreffenden Behauptungen und unbewiesenen
Tatsachen - Ergebnis: TV-Krieg.
Die
SZ hat zudem ermittelt, dass sich die Situation für den TV-Liebling zuspitzt:
"Günther Jauch kommt durch die Born-Affäre in arge Bedrängnis. (...) Am Montag
kursierte auch das Gerücht, dass Jauch vom ZDF als Moderator des Aktuellen
Sportstudios und der Olympischen Spiele in Atlanta fallen gelassen werden soll."
Das
Gerücht wird sich als falsch entpuppen. Für die Olympischen Sommerspiele in
Atlanta hält das ZDF an der
Zusammenarbeit fest. Allerdings haben die Vorfälle das Verhältnis einer extrem
Belastungsprobe ausgesetzt. Es ist anzunehmen, dass das ZDF in diesen Tagen die Grundsatzentscheidung für die spätere
Trennung von Jauch trifft, der sich seinerseits immer enger an RTL Television bindet.
So
viel zu einem in der deutschen TV-Geschichte einmaligen Live-Ereignis unter dem
Motto: ein Moderator und sein TV-Magazin bei der Selbstdemontage.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen