Sonntag, 31. Mai 2015

BND-Krisen-Kommunikation der “Atlantik-Brücke”: Vom Skandal zur Affäre zum Schlamassel

Hat die BRD-Regierung das Parlament belogen und hat der US-Geheimdienst NSA mit Hilfe des BND und mit Wissen des Kanzleramts deutsche und europäische Unternehmen ausgespäht, Wirtschaftsspionage betrieben?  Seit über einem Monat arbeiten Seilschaften aus Politik und Medien Hand in Hand, um die Vorgänge beim BND von einem Skandal zur Affäre zum Schlamassel zu verniedlichen. Im Schulterschluss mit öffentlich-rechtlichen TV-Sendern und Print-Leitmedien betreibt die “Atlantik Brücke” (AB) Krisen-Kommunikation.

Stell-Dich-Ein der Transatlantiker

So stellt Maybritt Illner in ihrer Show am 30. April kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe die Frage: "Die BRD - ein Paradies für US-Spione - wie halfen Regierung und BND?”

Die Talk-Show ist zu sehen unter www.youtube.com/watch?v=njt8fLemO9w

Zur Beantwortung hat Illner mit Jackson James sowie ZDF-Experte Elmar Theweßen zwei ausgewiesene Transatlantiker zu Gast: Letzterer ist Mitglied in der AB, ersterer lässt sich von AB-Mitgliedern seinen Direktorenposten am American Institute of Contemporary German Studies (AICGS) finanzieren, das zudem vom Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD) finanziell unterstützt wird. Diese Informationen, die für die Beurteilung der politischen Positionen beider Diskussionsteilnehmer von zentraler Bedeutung sind, erwähnt die Moderatorin gegenüber dem Publikum mit keinem Wort.

BDI-Chef spielt Distanz zur Regierung

Damit nicht genug. Denn ein weiteres prominentes AB-Mitglied, BDI-Chef Bernd Grillo, meldet sich zu Wort, um per Schrifttafel wissen zu lassen, dass das Verhältnis zwischen Staat und Industrie wegen des Skandals erheblich belastet sei und er erwarte, dass die ausgespähten Unternehmen unverzüglich darüber informiert werden, ob und welche Daten wann an die US-Dienste weitergegeben wurden. Sieht man von dieser Forderung ab, hat sich Grillo seitdem nicht weiter in die Debatte eingebracht. Damit ist seine plakative Forderung nicht mehr als eine Maßnahme im Rahmen der kommunikativen Bewältigung der Krise, die die Empörung innerhalb der Bevölkerung spiegeln und Distanz zur Regierungspolitik vorspielen soll.

Abgesprochenes Szenario

Mit am Tisch sitzt schließlich CDU-Politiker Clemens Binninger, der Mitglied im die Geheimdienste beaufsichtigenden Parlamentarischen Kontrollgremium und direkt in die Auklärung des Skandals involviert ist. In der Diskussion weigert er sich von Wirtschafsspionage sprechen. Die Tatsache, dass Firmennamen auftauchten, könne auch damit zusammenhängen, dass der BND beim Thema Proliferation - also dem Bestreben, die Verbreitung von Nuklear-Waffentechnologie zu verhindern - ganz legal mit US-Diensten zusammenarbeite.

Organisatorische Defizite beim BND

Danach macht er das, was Kommunikationsberater einem in der Krise befindlichen Unternehmen als erstes Manöver empfiehlen, um die Kontrolle über die Situation nicht zu verlieren: Er plädiert dafür, die Chronologie der Ereignisse aufzuklären. Vor einer Beurteilung der Schuldfrage, so Binninger, müssten Fakten geklärt, bewertet und mit Akteuren geredet werden. Unterdessen hat die Regierung zentrale Probleme bereits ausgemacht und spricht von organisatorischen sowie technischen Defiziten beim BND.

Problem mit der Hierarchie

Obwohl es Binningers Absicht ist, nicht zu spekulieren, macht er dies dann doch und fragt, warum der BND Begriffe, nach denen die NSA suchte, immerhin 40000 Mal abgelehnt habe, ohne dass dies kommuniziert worden sei. “Was wurde nach oben getragen mit welcher Brisanz”, fragt er. Sei dies als unproblematisch betrachtet und auf Arbeitsebene geklärt worden oder habe die Botschaft geheissen, politisch zu intervenieren? Möglicherweise seien Vorgänge falsch bewertet und kommuniziert worden. Er spekuliert also kurz nach Bekanntwerden des Skandals sehr konkret über mögliche Erklärungen oder Gründe für Defizite beim BND ohne mit den Akteuren gesprochen zu haben.

Ähnliches gilt für Binningers CDU-Parteifreund Michael Grosse-Brömer, der drei Tage später in der ARD-Talkrunde „Anne Will“ zu Gast ist, um dort erneut weitgehend die Formulierungen in die öffentliche Debatte zu setzen, die Binninger bereits im ZDF wählte.

Mehr: www.youtube.com/watch?v=BFhtbtfPoKE

Aus dem Skandal wird eine Affäre

Wiederum wenige  Tage später am 12. Mai gibt dann AB-Vorsitzender Friedrich Merz ein Interview zum Thema BND/NSA in der Berliner Tagezeitung “Der Tagesspiegel”. Darin exekutiert er die nächste Kommunikations-Maßnahme, um die Krise zu bewältigen:  Er bezeichnet den Skandal nicht mehr als solchen, sondern verniedlicht ihn zur Affäre. Warum er mit der Strategie der Verniedlichung Erfolg hat und dies obwohl Medien in der Regel eher skandalgeil nach dem Motto funktionieren: „Only bad news are good news“?

Die Antwort: Weil der „Tagesspiegel“ aus Verbundenheit - Redakteure des Blatts sind ihrerseits AB-Mitglieder - bei der Maßnahme mitmacht. Merz und die Redaktion ziehen am selben Seil. Das Interview ist eine PR-Pflichtübung, die einerseits Brisanz aus dem Skandal nehmen und andererseits, Raum im Kampf um die Deutungshoheit über denselben zurückzugewinnen soll.

AB und Leitmedien ziehen am gleichen Seil

Die Strategie hat Erfolg: Kein Leitmedium spricht heute mehr vom BND-Skandal, sondern von der Affäre BND - Merz Wortwahl hat sich dank Seilschaft zum „Tagesspiegel“ in den Medien durchgesetzt. An gemeinsamen Seilen ziehen dann die AB und die FAZ in einem Artikel, der zehn Tage später die Befragung des BND-Präsidenten Gerhard Schindler zum Thema hat. Unter dem Titel: „Ein Quantum Trostlosigkeit“ geht der Autor der Frage nach, wie „es nur zum größten Schlamassel in der dritten Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel“ kommen konnte? Wieso sei übersehen worden, dass der BND im Auftrag der USA europäische Spionageziele in Adressbüchern führt, ohne es recht zu merken?

Aus der Affäre wird ein Schlamassel 

Der Artikel ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Nicht nur, dass die FAZ die „BND-Affäre“ nunmehr zu einem Schlamassel weiter in die Bedeutungslosigkeit schreibt, sondern sie entwirft gleichsam eine Story, die über den Beamtenapparat, mögliche Fehleinschätzungen, Versäumnisse oder Schwachstellen in der BND-Organisationskultur informiert. Dazu benutzt der Autor bis aufs Wort identische Formulierungen, die sowohl CDU-Politiker Binninger bei Maybritt Illner beziehungsweise sein Parteifreund Michael Grosse-Brömer bei Anne Will gut drei Wochen zuvor benutzte.

Identische Wortwahl und Formulierungen

So ist in der FAZ zu lesen, dass alle Zeugen im Ausschuss geschildert hätten, wie viel Aufmerksamkeit den Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden gewidmet worden sei. Umso erstaunlicher sei es, dass das Leben im BND annähernd genauso weiterlief wie zuvor. Warum habe die Aufregung nach jetziger Erkenntnis im gesamten BND nur bei einem Mitarbeiter dazu geführt, nicht nur die eigene Arbeit zu überdenken, sondern auch die der Amerikaner, fragt der Redakteur? “Nur jener Unterabteilungsleiter aus Pullach, der im Ausschuss als D.B. auftritt und verantwortlich ist für die Suchbegriffe, die in Bad Aibling eingespeist werden, beauftragte 2013 einen Mitarbeiter, genau zu prüfen, was die Amerikaner denn da so wollten. Das Resultat ist bekannt und war der Auslöser des großen Schlamassels.“

Was wurde nach oben getragen?

Der gute Mann habe zwar den richtigen Riecher gehabt, wie auch sein oberster Chef deutlich machte. Er habe seine Erkenntnisse jedoch nicht nach oben weitergegeben, sondern lediglich den Kollegen in Bad Aibling angewiesen, diesen Suchbegriff zu löschen. Schindler mutmaßt, vielleicht habe mancher Mitarbeiter gedacht, dass eine Meldung nach oben nichts bringe.

Die Botschaft des Artikels: Während Fehler in der Beaufsichtigung des BND durch die Regierung oder gar politische Konsequenzen unerwähnt bleiben, wird der Skandal zu einem organisationellen Problem reduziert. Ganz so wie es die Regierung direct zu Beginn des Skandals vorgegeben hatte und Clemens Binniner sowie Michael Grosse-Brömer es gegenüber der Öffentlichkeit verkauften.

Abgesprochene Key Messages

Wieso sind ihre Formulierungen und die der FAZ bis hin zur Wortwahl identisch, obwohl vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium zwischenzeitig unzählige Personen ausgesagt haben? Doch wohl deswegen, weil zentrale Sprachregelungen, die Key Messages, bereits vor mehreren Wochen entwickelt wurden, um sie mithilfe der Medien in der Öffentlichkeit zu verbreiten und zu verankern.

Der Autor erwähnt am Ende seines Artikels schließlich noch eine weitere Maßnahme, die in jedem Handbuch zur Krisen-Kommunikation steht: So habe Gerhard Schindler als erster BND-Präsident eine E-Mail-Adresse einrichten lassen, mit der sich jeder Mitarbeiter des Hauses, ganz gleich welcher Hierarchiestufe, an ihn wenden könne. Eine Hotline, so wie sie etwa auch bei Produktrückrufen eingerichtet wird, soll es fortan regeln.  

 

Dienstag, 26. Mai 2015

Der Fake Faktor - Im Zeugenstand

Montag, 21. Oktober 1996

Eine Woche später stellt sich als erster Verantwortlicher von stern TV Günther Jauch den Fragen des Tribunals. Kurz vor ihm bestätigte Michael von Dessauer, stellvertretender Chefredakteur von Pro 7, die Version seines Chefs Berger - nämlich, dass der Beitrag von Born über ein Briefbombenattentat auf die Moderatorin Arabella Kiesbauer journalistisch „nicht wasserdicht“ gewesen sei.

Es ist der Höhepunkt des Prozesses. Denn mit Jauch steht auch die Glaubwürdigkeit des TV-Journalismus im Zeugenstand. Als er im Eiltempo auf den Zeugenstuhl zuschreitet - erwartet von Filmteams und Journalisten - kann er seine Anspannung kaum verbergen: ein in die Kritik geratener TV-Star, der einem Millionenpublikum wohl unwissentlich, aber dennoch vorgetäuschte Wahrheiten als sensationelle Enthüllungen verkauft hat.

Irritiert verfolgt er das Interesse der Medien an dem TV-Fälscher, der sich gerade zum Inaugurator eines neuen Fernsehjournalismus ausruft. „Wir sind auf dem Weg vom Infotainment zur Infofiction“, postuliert Born, dem Jauch die bitterste Niederlage seiner Karriere zu verdanken hat.

 
 
 
 
 
Im Blitzlichtgewitter - Günther Jauch wirkt sichtlich angesannt als er zu seiner brisanten, beinahe vierstündigen Zeugen-Vernehmung durch das Gericht in Koblenz erscheint.

 

Jauch weiß nicht, dass diese Vernehmung als dunkles Kapitel in seiner Vita zurückbleiben wird. In der vierstündigen Vernehmung betont er, dass er zu keiner Zeit Zweifel an Borns Integrität gehabt habe. Er sei zwar publizistisch verantwortlich für die Beiträge, die zu seiner Zeit als Chefredakteur ausgestrahlt worden sind. Allerdings habe er diese Position sowieso nur angenommen, weil G+J als Produzent von stern TV den vorherigen Chefredakteur Gerd Berger habe ablösen wollen. „Es war keine andere Lösung in Sicht als ich“, sagt Jauch.
 
Es dürfte in der deutschen Medienszene einmalig sein, dass ein ehemaliger langjähriger ZDF-Mitarbeiter, Ex-Programmkoordinator der früheren DDR-Radiostation „Berliner Rundfunk“ und anerkannt erfolgreicher Journalist um Verständnis dafür bittet, Chefredakteur eines der beliebtesten TV-Magazine geworden zu sein.
 
Wie alle Zeugen nennt der Moderator den TV-Fälscher einen untalentierten Journalisten, wollte aber nicht so weit gehen wie etwa Claus-Dieter Clörs von Tele Bremen, der in seiner Vernehmung zu Protokoll gab, er habe bei Born stets „erhebliche Zweifel an der Echtheit seiner Reportagen“ gehabt. Denn sie wirkten, als seien sie nach Regienanweisungen gedreht worden.
 
Jauch betont demgegenüber, dass Born auch Qualitäten gehabt habe. So seien die von ihm im Ausland gedrehten Bilder „ein Gutteil“ besser gewesen als die internationaler Bildagenturen. stern TV habe Born Aufträge gegeben, weil er „häufig die letzten zehn Prozent“ einer Geschichte geboten habe, die andere Autoren nicht geschafft hätten. Etwa im Fall des Beitrags über die angeblichen Aktivitäten des Ku-Klux-Klan in Deutschland, der erst nach der Bildsensation mit den Kapuzenmännern ausgestrahlt wird. Die mittlerweile eingestellte Wochenzeitung  Die Woche klärt ihre Leser über die Folgen dieses Berufsverständnisses auf:
 
"So führt der journalistisch berechtigte Wunsch nach Exklusivität, nach „dem Besonderen“ (Jauch) bei freien Mitarbeitern im Privatfernsehen zu Zwängen. Wenn die letzten zehn Prozent fehlten, wurde Born nach eigener Aussage seine Beiträge nicht los. (...) Also lieferte er gefälschte Enthüllungen. Und bis zur Enthüllung war Stern TV zufrieden. Die Redaktion bekam Schlagzeilen in den Medien, machte Quote und erzielte Werbeumsatz."
 
Aber keiner sei je auf die Idee gekommen, dass die Bilder inszeniert oder komplett gefälscht sein könnten. „Es hat uns nie jemand gewarnt, passt auf, da stimmt was nicht“, sagt Jauch. Auf Nachfrage räumt er dann doch noch ein, dass sein Magazin relativ früh vom WDR über unsauberes Arbeiten von Born informiert worden war. Nämlich nach dem Film, den Born exklusiv an ZAK verkauft hatte, der vorher aber schon im Programm von Tele 5 zu sehen gewesen war. Jauch dazu: Es sei ein „Sport“ freier Mitarbeiter, Material zweimal zu verkaufen.
 
Tagtäglich würden im Fernsehen Szenen nachgestellt, um Text unterlegen zu können, und dabei Archivmaterial verwendet, ohne dies kenntlich zu machen. Das halte er für zulässig. Ebenso, dass es bei stern TV gewisse Vorgaben für Beiträge gebe, „was wir uns redaktionell vorstellen“. Immer wieder betont er, dass ihm bei der Endabnahme der Beiträge nichts aufgefallen sei. Er achte nur auf die Stimmigkeit des Films, nicht darauf, ob er stimmte.
 
Jauch stößt damit auf Unverständnis bei Anwälten und Richter, gerät in Erklärungsnot. Er moderiere frei, mache sich Stichworte bei der Abnahme und sehe den Film erst kurz vor der Sendung, um auf diese Weise den Zuschauer emotional ansprechen zu können: „Aber ich gehe von der Richtigkeit der Fakten aus“, sagt Jauch. Die aus heutiger Sicht augenfälligen Fälschungen seien bei den innerredaktionellen Prüfungen nicht zu erkennen gewesen.
 
Der SZ-Prozessbeobachter Michael Bitala hat sämtliche Beiträge inklusive Rohmaterial gesehen und ist anderer Meinung:
 
"Im Prozess gegen den Fernsehfälscher Born häufen sich die Indizien, dass die Magazinmacher von den Machenschaften wussten, aber das ist offenbar nicht strafbar. (...) Wer (...) das Rohmaterial (...) sieht, der fragt sich, warum die Mitarbeiter von „stern TV“ gleich ein Dutzend Beiträge aus diesen chaotischen Filmschnipseln basteln konnten, ohne je Verdacht zu schöpfen."
 
Auch der angeklebte Bart eines angeblichen Jägers, der Katzen erschießt, sei Jauch entgangen. „Wenn der Bart wissentlich angeklebt war, dann ist das kein Grund, den Beitrag nicht zu senden. Aus gutem Grund werden Leute im Fernsehen unkenntlich gemacht, die unerkannt bleiben wollen“, erklärt der Moderator. Zwischenzeitlich sucht er häufiger Blickkontakt zu seinem juristischen Beistand Winfried Seibert im Publikum. Doch auch der kann nicht mehr verhindern, dass sich die Befragung ganz offensichtlich immer mehr zu einer Farce entwickelt. Eine Wende, die auch dem FAZ-Beobachter nicht entgeht:
 
"Genau hinsehen, was er dem Publikum (...) an Filmbeiträgen bietet, kann der Moderator nicht. Zweitausend Filme, die gesendet worden sind, und noch einmal 300 oder 400 die nicht ins Programm kamen, habe er für Stern TV gesichtet, sagte Günther Jauch (...). Wie soll er da auf solche Kleinigkeiten wie den angeklebten Bart des Forstmanns achten?"
 
Ob er sich nicht gewundert habe, dass die Personen bei der Bombenexplosion in Bethlehem nicht reagieren? Die Woche hält fest: 
 
"Mit seiner Antwort provoziert der Moderator ungewollt dröhnendes Gelächter im Publikum. „Dort unten kracht es sehr oft, dort haben sich die Leute schon daran gewöhnt.“ (...) Jauch zuckt kurz zusammen, wendet sich dem Publikum zu und wiederholt wie abwesend: „Das ist so. Da kracht es eben oft.“ Er wirkt verstört über die Heiterkeit in einem Prozess, der seinen Ruf schädigt."
 
Der Vorsitzende der Strafkammer insistiert und will wissen, ob er in Borns Rohmaterial keine Unstimmigkeiten erkennen konnte. Jauch: „Ich bin im Grunde noch nie in einem Schneideraum gesessen.“ Dafür seien Redakteure, Chefs vom Dienst und Cutter zuständig. Wenn er moderiere, sei er so unter Druck, dass er sich nicht um das Alltagsgeschäft kümmere.
 
Dieses Eingeständnis wirft einen Blick auf das eigene journalistische Selbstverständnis. In den kommenden Tagen wird er von einer Welle der Kritik überrollt. Auch der Anwalt des mitangeklagten Born-Assistenten Peter Martin insistiert und fragt nach, ob er die Richtigkeit der Filme nicht überprüfe. Jauch antwortet gereizt, dass er seiner Redaktion und dem Autor vertraue.
 
Die FAZ bringt ein prozesscharakteristisches Phänomen auf den Punkt: Je genauer nämlich die Fragen nach der Zusammenarbeit mit Born werden, umso mehr verschwimmen die Verantwortlichkeiten. Ergebnis: Am Ende ist niemand mehr für etwas verantwortlich:
 
"Der Moderator verlässt sich auf den Chefredakteur, (...) Redakteure und Cutter, und diese verlassen sich auf die Autoren. Und die Zuschauer (...) darauf, dass die Töne nicht verzerrt und die Bilder nicht gestellt sind. Das aber können sie (...) gerade nicht. (...) Dass seriöser Journalismus dort aufhört, wo Stern TV beginnt, (...) stand in Koblenz leider nicht zur Debatte."
 
Nach seiner Entlassung aus dem Zeugenstuhl gibt Jauch auf dem Gerichtsflur spontan eine Pressekonferenz und spricht im Scheinwerferlicht seinen Schlusskommentar in die Kameras: „Born hat uns und die Zuschauer betrogen. Wir sind Opfer.“ Für ihn scheint damit das Kapitel Born abgeschlossen zu sein.
 
Dienstag, 22. Oktober 1996
 
Mit diesem seit Beginn des Falls stets wiederholten Statement kann sich Jauch bei seinen Kollegen in den Redaktionsstuben längst nicht mehr durchsetzen. Bei TAZ herrscht Unverständnis:  
 
"Weiß der Mann überhaupt, dass er beim Fernsehen arbeitet? Egal. Das treffendste Statement kam vor Wochen vom ehemaligen Chef des Schweizer Fernsehmagazins „10 vor 10“, Ulrich Haldimann. Man stelle sich als Redakteur die Frage, ob ein Bericht plausibel, aber nicht, ob er gefälscht sei. Damit war er wohl der einzige, der die Wahrheit sagte - in einem Tribunal, in dem die prominenten Zeugen beim Versuch sich reinzuwaschen genauso viel lügen wie der Angeklagte."
 
Jauchs Bekenntnis, noch nie in einem Schneideraum gewesen zu sein, ist für die TAZ Anlass für eine Umfrage unter Moderatorenkollegen. Das Blatt will wissen, ob für sie der Schneideraum ebenfalls Terra incognita ist. 
 
Freitag, 25. Oktober 1996
 
Wenig später sind die Antworten nachzulesen. Sie nehmen dem gestrauchelten TV-Star den Rest seiner Journalistenehre:  
 
"Ein Magazinleiter, der seinen Titel verdient, verbringt einen großen Teil seiner Zeit im Schneideraum. Wer sich nicht intensiv um die Beiträge kümmert, wird zum Ansager.“ (Bodo Hauser auch für Ulrich Kienzle, Frontal, ZDF) „Ich bin noch nie in einem Schneideraum gesessen, in dem Günther Jauch gesessen hat.“ (Friedrich Küppersbusch, Privat fernsehen, ARD)
 
Jauch weiß spätestens seit dem Auftritt im Januar in Erich Böhmes Talk im Turm, wie sehr ihn sein Berufsstand beobachtet - besonders auch Die Woche. Doch trotz monatelanger Vorbereitungen auf den Prozess erlebt er erneut ein Waterloo:
 
"Als der Vorsitzende Richter Jauch mit den Worten „Das war es für Sie heute“ ohne Vereidigung entlässt, kontert er mit: „Das klingt ja wie eine Drohung.“ (...) Das öffentliche Kreuzverhör ist ausgestanden. (...)  Persönliche Konsequenzen jedenfalls schließt Jauch als Hauptbetroffener des größten deutschen Fernsehskandals für sich aus."
 
Gibt es eine stichhaltige Erklärung dafür, warum er sich derart selbst demontiert? Wenn, dann doch nur die folgende: In seiner Redaktion ist es an ihm vorbei zu Unregelmäßigkeiten gekommen, die ein wohl weit größeres Ausmaß haben, als sich bisher abzeichnet. 

Montag, 25. Mai 2015

Geheimdienste und LGBT: „Pink Washing“ heuchelt totale Toleranz, um Aktivisten zu manipulieren

Am 17. Mai erstrahlte die britische Spy-Agentur GCHQ (Government Communication Headquarter) in ihrem futuristischen Hauptquartier in Cheltenham in den Regenbogenfarben. So sollte Engagement für "Vielfalt" und "Solidarität" im Rahmen des "internationalen Tag gegen Homophobie" zum Ausdruck gebracht werden.

Welcher progressive Bürger sollte die Spione und deren Engagement angesichts solch einer Geste der Toleranz  nicht schätzen?






Geheuchelte Toleranz: GCHQ Hauptsitz in Cheltenham in den Farben des Regenbogens.





Propagandastrategie "Pink Washing" 

Wäre da nicht die Tatsache, dass Neokonservative nicht nur in den USA oder Großbritannien, sondern auch in der BRD "Pink Washing" als PR-Strategie einsetzen, um die LGBT-Gemeinde zu manipulieren. Der eigentliche Sinn der Aktion ist, unter dem Vorwand der sozialen Solidarität die LGBT-Gemeinde für die Durchsetzung politisch-militärischer Ziele zu instrumentalisieren.

CIA macht auf totale Toleranz

Auch der US-Geheimdienst setzt auf die Strategie der totalen Toleranz. So kooperiert der CIA etwa für das Netzwerk “Agency Network of Gay, Lesbian, Bisexual and Transgender Officers and Allies” oder wirbt für LGBT-Rechte in Photoausstellungen im CIA-Hauptquartier. Höhepunkt war die kürzliche CIA-Teilnahme an der Schwulen-Parade in Miami mit einem eigenen Informations- und Bewerberzelt.

Welcher progressive Bürger sollte solch eine pro-homosexuelle Präsenz der CIA nicht schätzen?

Medien sorgen für Stimmung

Die Strategie, Menschen- und Bürgerrechte politisch zu instrumentalisieren und deren Verletzung in Ländern zu geißeln, die der US-Politik ein Dorn im Auge sind, folgt einem stereotypen Muster: die Regierung setzt zunächst das Thema, die Medien machen anschließend Stimmung. So entwickelten US-Medien erst ein gesteigertes Interesse an der Pressefreiheit in Ecuador, nachdem der Mitbegründer von Wiki-Leaks Julian Assange dort nach den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden und entgegen US-Willen politisches Asyl erhielt. Und erst nachdem die Bush-Administration das Thema "Frauen" entdeckte, um den Feldzug gegen Afghanistan zu legitimieren, überfluteten US-Medien die amerikanische Bevölkerung mit Stories über die repressive Frauenpolitik der Taliban.

Welcher progressive Bürger sollte solch eine pro-feministische Haltung nicht schätzen?

Interesse heucheln - Verbrechen ignorieren

Heute verurteilen Neokonservative besonders die Diskriminierung von Homosexuellen durch Vladimir Putin oder betonen die Not von Schwulen und Lesben im Iran. Dass die Taliban in der Tat repressiv gegenüber Frauen ist, und dass der Iran in der Tat Schwule sanktioniert oder dass Putin in der Tat ein schwulen-feindliches Klima in Russland erzeugt, trifft zu. Aber warum ließen die USA alle Regime in Afghanistan, die zumindest ähnlich repressiv gegenüber Frauen wie die Taliban waren, gewähren? Oder warum sprechen sie nicht über die LGBT-Unterdrückung und den systematischen Verstoß gegen Menschenrechte durch die mit ihnen verbündeten Golf-Staaten?

Menschenrechte als Propaganda-Hülse

Antwort: Weil die US-Regierung Menschenrechte als propagandistischen Vorwand dazu nutzt, sich politische Unterstützung aus anderen Lagern und seitens der Öffentlichkeit zu sichern. Sie ist nicht im geringsten daran interessiert, ob eine Regierung Schwule oder Frauen diskriminiert, sondern lediglich an deren sozialer Kontrolle. Zudem stehen diese Themen auch nicht im Entferntesten in Verbindung mit der US-Aussenpolitik oder sind Gründe dafür, dass Länder den USA feindlich gegenüber eingestellt sind.

Verpackung zum Kaschieren von Militarimus

Militarismus und Imperialismus werden aber nicht dadurch humaner, dass US-Regierungen Feministen oder Homosexuelle als indirekte Unterstützer für ihre Verbrechen gewinnen, noch werden amerikanische Kriege weniger kriminell oder destruktiv, weil Amerika und seine Verbündeten angeblich die gleichen sozialen Werte teilen.

Die hübsche Dekoration von Spionage-Agenturen in Regenbogenfarben, die CIA-Präsenz auf Schwulendemos oder das Nutzen sozialer Themen wie Feminismus sollen US-Invasionen politisch korrekt verkleiden und legitimieren.

„Pink Washing“ ist eine zutiefst zynische Propaganda-Methode und die LGBT-Gemeinde ist gut beraten, nicht auf die geheuchelte totale Toleranz seitens der Geheimdienste hineinzufallen.

Donnerstag, 21. Mai 2015

Lügen inklusive - Wie die FAZ Pegida in die Bedeutungslosigkeit schreiben will

Was von Pegida übrig blieb

Deutschlandweit sei Pegida erloschen, nur in Dresden existiere die Bewegung weiter, wenn auch auf Sparflamme. So leitete die FAZ am 21. Mai einen Artikel über eine Studie ein, für die die TU Dresden “gut 700 Teilnehmer” befragte.

Würde der Journalist redlich  arbeiten, so müsste er die genaue Anzahl der Befragten benennen. Er behauptet indes schlicht, die Umfrage sei repräsentativ. Dies ist dann eine wahre Falschinformation. Denn repräsentativ wird ein Umfrage erst dann, wenn an dieser mindestens 1041 Personen teilnehmen. Dies aber nur am Rande.

Rechtsradikale Demonstranten deutlich in Unterzahl

Denn die Ergebnisse der Studie, die Politikwissenschaftler Werner Patzelt durchführte, sind erstaunlich: So stellen Rechtsradikale nur ein Fünftel der Pegida-Teilnehmer. Zudem stehen weniger als die Hälfte der Demonstranten rechts von der Mitte und wünschen sich weniger Ausländer, vor allem Muslime. Allerdings ist der Anteil derjenigen, die politisch Verfolgten und Kriegsflüchtlingen Asyl gewähren wollen, von zwei Dritteln im Januar auf unter die Hälfte gesunken. Damit bleibe der Unmut über die Asylpolitik für die Mehrzahl der Demonstranten ein zentrales Motiv für die Teilnahme.

Jeder Ditte lehnt Gewalt und Rechtsradikale ab

Darüber hinaus lehnt jeder dritte Demonstrant Gewalt und Rechtsradikale ab und findet nicht, dass Deutschland zu viele Asylbewerber und Flüchtlinge aufnimmt. Knapp 60 Prozent sprachen sich sogar dafür aus, Rechtsradikale und Rechtsextreme von den Demonstrationen zu verbannen.

Bedenken gegen Demokratie in der BRD

Zwei Drittel der Befragten beurteilen die Demokratie grundsätzlich als vorteilhaft, kritisiert wird aber, wie diese in Deutschland funktioniert: Daher vertrauen sie weder den Parteien, noch der Politik und ebenso wenig den Medien. Im Gegensatz zur Januar-Befragung ist die Zahl der Demonstranten, die keiner Partei vertrauen, damit von gut der Hälfte auf zwei Drittel gestiegen.

Über die Hälfte will Rechte von Demos verbannen

Diese bemerkenswerte Soziologie der Pegida-Demonstranten hätte der Redakteur eigentlich in das Zentrum des Artikels stellen müssen. Aber leider geht sie dem Leser im Verlauf des Textes auf diffuse Weise verloren. An ihrer Stelle stehen Interpretationen des Redakteurs und die des Politikwissenschaftlers im Fokus. Tenor: Es sammele sich hier eine Vielzahl zutiefst Enttäuschter, die jederzeit zur Gefolgschaft begabter Volkstribunen werden könnten. Pegida habe sich zum rechten Rand hin stabilisiert. Über kurz oder lang werde wohl auch der heute noch hartnäckige Rest von der Bildfläche verschwinden.

Durch subtile Desinformation und Diffamation trägt die FAZ im Gespann mit anderen deutschen Leitmedien dazu bei, bürgerliche Partizipation am politischen Entscheidungsfindungsprozess solange zu stigmatisieren, bis sie in der Bedeutungslosigkeit verschwindet.

Originaltext FAZ unter http://bit.ly/1HkSpyD

Mittwoch, 13. Mai 2015

70 Jahre nach Dresden: Krieg gegen Welt-Kulturerbe - Wie Jemens islamische Identität ausgelöscht werden soll

Nach langem Schweigen hat die Kulturorganisation der Vereinten Nationen UNESCO die "schweren Zerstörungen" kultureller Stätten im Jemen durch Bombardierungen der Altstadt in Sanaa verurteilt.

"Ich rufe alle Beteiligten auf, das kulturelle Erbe aus dem Konflikt zu halten", sagte UNESCO-Generaldirektor Irina Bokova. Sie erklärte weiter, die Bombardierungen hätten große Schäden an historischen Gebäuden in der jemenitischen Hauptstadt verursacht, auch archäologische Stätten der vorislamischen Stadt Baraqish hätten gelitten.

Zusätzlich zum menschlichen Leid löschen diese Angriffe Jemens einzigartiges kulturelles Erbe aus, das für Jemeniten gleichsam Identität, Geschichte und Erinnerung sowie ein außergewöhnliches Zeugnis von den Errungenschaften der islamischen Zivilisation sei. Sanaa ist seit über 2500 Jahren bewohnt und besitzt alleine mehr als 6.000 Häuser, die vor dem 11. Jahrhundert errichtet worden. Die Stadt war ein wichtiges Zentrum für die Ausbreitung des Islam und wurde von der UNESCO im Jahr 1986 zum Weltkulturerbe erklärt.

Die Bombardierung historischer Stätte gehört zu den Strategien der psychologischen Kriegsführung. Ziel ist es, den Widerstand in der Bevölkerung zu brechen.


Obwohl Deutschland exakt 70 Jahre zuvor von derselben Strategie betroffen war und Dresden im Zuge massiver Bombardierungen der Alliierten im März 1945 den Großteil seines kulturellen Erbes verlor, ist von der deutschen Regierung zu der kulturverachtenden Kriegsführung der US-Saudischen Terror-Allianz nichts zu vernehmen. Sie liefert Saudi Arabien vielmehr das Material, mit dem die Kulturstätten ausradiert warden.  

Ich rufe zum sofortigen Stopp der Bombardierungen sowie zur Unterstützung des Jemens auf bei der Sicherung des einzigartigen kulturellen Welt-Erbes auf.




 
 
 

Dienstag, 12. Mai 2015

Lügen-Offensive der "Atlantik Brücke" - Friedrich Merz: "Wir profitieren von den US-Diensten"

Das folgende Interview mit dem Vorsitzenden der “Atlantik Brücke” (AB), Friedrich Merz, erschien zum Höhepunkt des BND/NSA-Skandals vor zwei Tagen in der Berliner Zeitung “Der Tagesspiegel”.

Redakteure des Blatts sind ihrerseits AB-Mitglied. Das Interview ist daher als eine PR-Pflichtübung der AB zu werten - eine von vielen in den letzten Wochen mit dem Ziel, den Skandal zu kontrollieren.

Herr Merz, das Misstrauen der Deutschen gegenüber den USA ist in jüngster Zeit massiv gewachsen. Versteht eine Mehrheit noch die Bedeutung der transatlantischen Partnerschaft?

Eine stabile Mehrheit der Deutschen stellt den Wert dieser Partnerschaft im Grundsatz nicht infrage. Aber es gibt natürlich einige Irritationen, die auch das Fundament unserer Beziehungen geschwächt haben. Die NSA-Affäre ist ein Vertrauensbruch, der nur langsam wieder repariert warden kann. Aber im Kern ist das Vertrauen der meisten Deutschen in die USA ziemlich stabil.

http://urban.adspirit.de/adview.php?pid=1201&wmid=13937&nvc=1&ord=1431442886&target=-Mittlerweile tragen Zeitungsberichte über Meinungsumfragen zu den USA Titel wie „Deutsche für Abkehr von den USA“. Sehen Sie darin kein Alarmzeichen?

Es gibt natürlich Enttäuschungen über die USA – übrigens auch über den einstigen Hoffnungsträger Barak Obama, der ja gerade in Deutschland große Erwartungen geweckt hatte, die nun größtenteils leider nicht erfüllt worden sind. Ich stelle mir natürlich die Frage, was dazu beitragen kann, dass diese Störungen wieder beseitigt werden, auch wenn sich die Einstellung einer Mehrheit der Deutschen zu Amerika doch nicht grundlegend geändert hat.

Anmerkung: Merz verniedlicht den Skandal zur Affäre, diese Wortwahl soll sich in den kommenden Tagen in den Medien etablieren. Und warum bezieht er sich nicht auf eine Umfrage? Denn Demoskopie als Mittel zur Manipulation der Meinung setzt die AB immer wieder ein, wenn es darum geht, ihr genehme Positionen in der Öffentlichkeit zu verankern. Merz hat wohl die Gefahr erkannt, dass eine Umfrage zum aktuellen Zeitpunkt zeigen könnte, dass das Vertrauen der Deutschen in die USA zutiefst erschüttert ist, wie etwa die ARD ermittelte. Anstatt Fakten zu liefern, umschreibt er variantenreich, aber ohne Substanz seine subjektive Vermutung, dass Vertrauen der Deutschen “sei ziemlich stabil”.

Sie haben die Praxis der NSA als Auslöser von Misstrauen erwähnt. Sind Forderungen überhaupt realistisch, dieser Geheimdienst solle in Deutschland nicht abhören?

Unter Freunden muss man die Erwartung äußern dürfen, dass man sich nicht gegenseitig ausspioniert – das gilt zumindest für die Staats- und Regierungschefs, die Minister und die Mitglieder der Parlamente. Aber es ist ja nichts Neues, dass Nachrichtendienste nun einmal auf der ganzen Welt tätig sind. Ich empfehle, den Blick auch über die USA hinaus zu richten. Dann sieht man, dass die Aktivitäten etwa des chinesischen und des russischen Geheimdienstes in Deutschland mindestens so stark zugenommen haben wie die von den Geheimdiensten befreundeter Länder. Umgekehrt gilt: Wir profitieren von der Aktivität der US-Dienste und deren Erkenntnissen, denn die eigentliche Gefahr geht nicht von den Geheimdiensten aus, sondern von weltweit tätigen Terrororganisationen, die auch unsere Freiheit bedrohen. Wenn wir weniger NSA haben wollen, dann müssten wir selbst im Bereich der Aufklärung deutlich mehr tun als bisher.

Anmerkung: Merz sagt nicht die Wahrheit. Er weiss, dass BND und NSA identische historische Wurzeln haben. Beide wurden mithilfe von Reinhard Gehlen - Hitlers letztem Chef der Auslandsaufklärung - aufgebaut. Die Tatsache, dass die NSA in Deutschland, das seit dem Ende des 2. Weltkrieges nie mehr souverän war, quasi freie Hand hat, unterschlägt er und behauptet, die BRD würde von Erkenntnissen der NSA profitieren. Konkrete Beweise dafür bleibt er schuldig.

Nun stehen Vorwürfe im Raum, die NSA habe mithilfe des BND auch Politker und Unternehmen in Europa ausgespäht. Wie kann man da den USA noch trauen?

Das sind massive Vorwürfe, die da im Raum stehen, und die nun wirklich schnellstmöglich aufgeklärt werden müssen. Offenbar hat sich der BND an Abhörpraktiken beteiligt, für die es keine Rechtsgrundlage gibt. Ich will das unter allen Vorbehalten sagen, denn bisher gibt es ja nur Behauptungen und Vermutungen. Wenn die aber auch nur im Ansatz zutreffen, dann haben wir ganz unabhängig von der NSA ein Problem mit unserem eigenen Nachrichtendienst.

Anmerkung: “Schnellstmögliche Aufklärung” ist wohl die am meisten benutze PR-Floskel, um von gravierenden Problemen abzulenken und Zeit zu gewinnen - nichts mehr als ein Allgemeinplatz. Dass der BND spätestens seit den Enthüllungen von Snowden 2013 für die deutsche Regierung ein Problemfeld darstellt, haben Merz und sein Verein falsch eingeschätzt.

Rechnen Sie denn damit, dass Sie abgehört werden?

Ich weiß es nicht. Wenn ich sensible Gespräche zu führen habe, nutze ich das Festnetz und für den Schriftverkehr geschützte E-Mails.

Anmerkung: Merz braucht nicht abgehört werden, denn er arbeitet in einer Tarnorganisation des CIA, die 1952 gemeinsam vom damaligen US-Hochkommissar John McCloy und Welt-Banker Eric M.Warburg gegründet wurde. Es ist anzunehmen, dass Merz sensible Daten als Teil seiner Aufgabe als AB-Vorsitzender ganz selbstverständlich an die USA weitergibt.

Wir fragen, weil Sie Wirtschaftsanwalt sind – und es Vorwürfe gibt, die USA würden ihre Überwachungstechnik auch einsetzen, um der eigenen Wirtschaft auf Kosten von Firmen in anderen Ländern Vorteile zu verschaffen...

Der Sitz der internationalen Anwaltskanzlei, für die ich arbeite, ist in den USA. Wir haben Sicherheitsstandards für unsere Mandanten, die extrem hoch sind. Darauf können sich unsere Mandanten verlassen und ich kann es auch.

Anmerkung: Natürlich kann sich Merz eher auf die US-Sicherheitsstandards als auf deutsche verlassen.

Gerade die jungen Deutschen sind besonders kritisch gegenüber den USA. Ist das kein schlechtes Zeichen für die Zukunft?

Die jüngere Generation hat in der Phase ihrer politischen Sozialisation Amerika als einen Staat kennengelernt, den sie als übergriffig empfinden. Diese Prägung ist umso stärker, je weniger sie durch positive persönliche Erlebnisse und Erfahrungen mit Amerika relativiert wird. Wichtig bleibt: Europäer und Amerikaner verbindet etwas sehr Elementares, nämlich die Überzeugung für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Bürgerfreiheiten.

Aber die Berichte über die Erschießungen von Afroamerikanern durch weiße Polizisten in den USA vermitteln einen ganz anderen Eindruck!

Natürlich entsetzen uns diese Berichte. Aber Amerika beschäftigt sich auch ganz intensiv mit diesem Thema, die Vorfälle wühlen das Land auf, weil die Amerikaner ihre eigenen Werte verletzt sehen. Ich finde: Vor dieser Selbstprüfung sollten wir bei aller berechtigten Kritik auch Respekt haben. Die Fehlentwicklungen werden öffentlich debattiert und aufgearbeitet. Eine solche kritische, öffentliche Auseinandersetzung ist nur in einer Demokratie möglich, sie wäre in vielen anderen Ländern der Welt geradezu undenkbar.

Anmerkung: Wen meint Merz, wenn er im Plural von “uns” spricht? In den USA sind rassistische Übergriffe gegen Schwarze an der Tagesordnung, der Patriot Act hat parallel die Bürgerrechte ausgehöhlt. Staaten mit nicht us-konformer Politik werden vom US-Militär in konstruierten Aktionen ausser Funktion gesetzt und die EU beteiligt sich ganz selbstverständlich an einigen dieser Kriegseinsätze. Wenn Merz vor diesem Hintergrund davon spricht, dass Europa und die USA etwas sehr Elementares verbindet, dann ist dies zynisch.

Welche Rolle spielt das negative Bild von den USA in der deutschen Debatte über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP?

In der Geschichte der modernen Industrienationen hat es schon lange keine so massive Kritik an einem Freihandelsabkommen mehr gegeben wie an diesem Abkommen mit Amerika. Hier kommen politische und emotionale Widerstände der Kritiker ins Spiel, die mit der Sache wenig zu tun haben, die sich zum Teil gegen unser ganzes Wirtschaftssystem richten. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass sich eine Mehrheit auch unserer Bevölkerung durch Sachargumente überzeugen lässt.

Anmerkung: Merz beabsichtigt, inhaltliche Kritik auf eine emotionale Ebene zu verlagern und Bürger-Partizipation am politischen Prozess der Entscheidungsfindung zu diffamieren. Doch Bürger richten sich nicht gegen das Wirtschaftssystem, wohl aber dagegen, dass internationale Konzerne und Finanzinstitute die Politik unter Druck setzen und vor sich hertreiben, wie es EU-Funktionär Elmar Brok einmal konstatierte.

Die TTIP-Befürworter argumentieren, kein anderes EU- Land werde von dem Abkommen so stark profitieren wie die Exportnation Deutschland. Wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet hier die Kritik vehementer und lauter ausfällt als im Rest Europas?

Dafür habe ich noch keine endgültige Erklärung gefunden. Das Paradoxe ist doch: Wir streiten über ein Abkommen, von dem es noch nicht einmal einen Textentwurf gibt. Die Politik hat es schwer, gegen Vermutungen und Spekulationen anzugehen, wenn es noch keine Fakten gibt. Meine Erwartung ist: Am Ende wird ein großer Teil des Protestes gegen dieses Abkommen in sich zusammenfallen, weil er sich gegen Themen richtet, die mit dem Abkommen gar nichts zu tun haben.

Anmerkung: Hier wird der Journalist zum freundlichen Stichwortgeber. Nur weil deutsche Medien über Diskussionen zu TTIP nicht berichten, bedeutet dies nicht, dass diese in anderen Ländern Europas nicht stattfinden. In vielen europäischen Ländern setzen sich Organisationen der Zivilgesellschaft mit dem Freihandelsabkommen auseinander, aus dem einzelne Passagen sehr wohl bekannt sind - trotz geheimer Verhandlungen. Daher lügt Merz erneut, wenn behauptet, es gebe keinen Textentwurf. Es muss auch erwähnt werden, dass die AB keineswegs die Mehrzahl der deutschen Unternehmen repräsentiert, obwohl Merz den Anschein erweckt.

Es gab in jüngster Zeit Kritik daran, dass Journalisten durch ihre Mitgliedschaft in Netzwerken wie der Atlantik-Brücke ihre Unabhängigkeit aufgeben würden. Sind Sie eine Art Geheimbund, der ohne Kontrolle die öffentliche Meinung beeinflusst?

Wir sind eine als gemeinnützig anerkannte Nichtregierungsorganisation, deren Tätigkeit vollkommen transparent ist. Wir sind offen für die Mitgliedschaft auch von Journalisten, so wie andere Organisationen auch. Wenn die Kritiker mit der gleichen Heftigkeit etwa die Mitgliedschaft von Journalisten in Umweltverbänden oder Verbraucherschutzorganisationen anprangern würden, dann könnte ich die Kritik verstehen. So aber ist sie sehr einseitig und zum großen Teil böswillig.

Anmerkung: Allein die Tatsache, dass nur Mitglied in der AB werden kann, wer von einem anderen Mitglied vorgeschlagen wird, beweist Nepotismus. In keinem anderen Elitezirkel ist auf Kosten der Transparenz der Schulterschluss von Politik, Wirtschaft und Medien so stark wie in der AB. Merz Betonung des Status als NGO dient lediglich dazu, die Tarnung aufrecht zu erhalten.

Sie haben kürzlich in einem Aufsatz zum Jubiläum Angela Merkels als CDU-Parteichefin den Satz geschrieben, es sei kein Zufall, dass auf die These von der Alternativlosigkeit einer bestimmten Politik eine politische Gegenkraft die Bühne betrete, die sich Alternative für Deutschland nenne. Braucht die Politik in Deutschland wieder mehr Alternativen und damit auch mehr Streit um Entscheidungen?

Zunächst einmal habe ich Angela Merkel zum 15-jährigen Parteivorsitz der CDU gratuliert. Ich habe dann darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Wort von der Alternativlosigkeit Gegenreaktionen ausgelöst hat. Eine Demokratie braucht Konsens, aber sie kann nicht nur vom Konsens leben. Eine Demokratie lebt von Meinungsfreiheit, vom Widerspruch, vom Streit sehr unterschiedlicher Standpunkte, um dann erst zu gemeinsamen Entscheidungen zu kommen – in dieser Reihenfolge. Daran nimmt die Demokratie keinen Schaden. Im Gegenteil: Erst durch Streit wird sie lebendig und stark.

Anmerkung: Wie soll Widerspruch und Streit in gleichgeschalteten Parteien entstehen? Die großen Parteien ebenso wie die Grünen tragen gemeinsam die zentralen politischen Entscheidung etwa in Sachen Euro oder EU. Und die werden maßgeblich in Veranstaltungen der AB ausformuliert. Die BRD ist keine Parteiendemokratie, sonder eine Parteiendiktatur. Wären Merz Worte mehr als nur “Sonntagsrede”, dann träte er für mehr direkte Demokratie und für das Parlament als Ort der Entscheidungsfindung der Regierung ein und nicht für eine Scheindemokratie, die von der AB gelenkt wird.