Journalisten spielen Politiker
Die Autoren zeichnen ein recht simplifizierendes Weltbild: Die USA können sich Einsätze zur Sicherung der „guten Ordnung“ in der Welt immer weniger leisten und suchen potente Mitstreiter gegen Störenfriede. Deutschland profitiert wie kaum ein anderes Land von der friedlichen, offenen und freien Weltordnung. Gleichzeitig ist es abhängig von deren Funktionieren und verwundbar für die Folgen von Systemstörungen, da es die Nachfrage aus anderen Märkten sowie den Zugang zu internationalen Handelswegen und Rohstoffen brauche. Fazit: Deutschland muss künftig entschiedener militärisch Verantwortung übernehmen.
Zentrale Thesen der Studie fanden auch Eingang in den Koalitionsvertrag der sich gerade konstituierenden neuen Bundesregierung. An den Beratungen war neben Frank-Walter Steinmeier (SPD) auch AB-Young Leader Thomas de Maizière (CDU) beteiligt, der schon als früherer Verteidigungsminister eruieren wollte, wie die Pflicht der parlamentarischen Zustimmung zu deutschen Militärmissionen begrenzt werden könne.
Im letzten Sommer konnte der amtierende Innenminister dann Vollzug vermelden: Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD setzen die „Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr“ ein. Den Vorsitz hat Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) und AB-Mitglied. In einem Gastbeitrag in der FAZ ließ er keinen Zweifel daran, dass er die Kommissionsarbeit im Sinne der neuen Rolle Deutschlands und die Sicherung der Parlamentsrechte als deren Abbau interpretieren werde. Die Ergebnisse der Kommission stehen derzeit an.
Parlaments-Vorbehalt zu Bundeswehreinsätzen soll fallen
Angesichts der strategischen Bedeutung des Themas, kann es als sicher gelten, dass AB-Mitglieder auch die Rollen für ein erfolgreiches öffentliches Agenda-Setting verteilten: Dabei wie gewohnt im Hintergrund die Kanzlerin, Bundespäsident Joachim Gauck übernimmt die Rolle des Provokateurs, um die Stimmung in der Bevölkerung zu sondieren, Unterstützung kommt aus dem Aussen- und Verteidungsministerium, Altkanzler Schmidt besänftigt - wenn nötig - anschließend die Gemüter.
Es ist dann nicht mehr verwunderlich, dass sich zentrale Passagen beziehungsweise Formulierungen der Studie nicht nur in Artikeln Jochen Bittners wiederfinden, der neben FAZ-Redakteur Nikolas Busse schließlich an dem Papier mitgearbeitet hat, sondern auch im Redemanuskript des Bundespräsidenten, für dessen Redaktion Ex-Zeit-Journalist Kleine-Brockhoff zuständig war, der als damaliger GMF-Direktor ebenfalls in die Erarbeitung der Studie involviert war.
Das Forum der 50. Münchner Sicherheitskonferenz Ende Januar 2014 war der perfekte Anlass für Gauck, einer offensiveren Rolle der BRD in der Globalpolitik das Wort zu sprechen: Deutschland sei überdurchschnittlich globalisiert und profitiere deshalb überdurchschnittlich von einer Weltordnung, die Interessen mit Werten verbindet. Aus dem leite sich das wichtigste außenpolitisches Interesse ab: dieses System zu erhalten und zukunftsfähig zu machen. Und gerade weil die USA nicht mehr leisten könnten, müssten Deutschland und seine europäischen Partner für ihre Sicherheit zunehmend selbst verantwortlich sein.
Gauck der Gaukler
Gauck tritt damit für die BRD als „guter Hegemon“ im EU-Zentrum ein, eine Sichtweise zu der sich auch andere AB-Vereinsmitglieder wie Friedbert Pflüger bekennen. Da er seine Rede mit Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen abgestimmt hat, überrascht es nicht, dass beide seine Positionen ergänzen. Während die Verteidigungsministerin den Akzent auf moralische Verantwortung legte, stellte Steinmeier klar: „Deutschland muss bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch entschiedener einzubringen. Der Einsatz von Militär ist äußerstes Mittel.“ Damit war das Thema in der Öffentlichkeit gesetzt und die in der Studie präsentierte transatlantische Weltanschauung zur deutschen Regierungspolitik erklärt.
Auf Verständnis in der Bevölkerung für mehr Militärengagement müssen Gauck und Regierung indes weiter warten, haben Bürger doch erkannt, dasss die Forderung gleichzeitig eine Änderung der militärischen Doktrin der BRD von einer Verteidigungs-, hin zu einer Angriffsarmee bedeutet. Laut einer ARD-Umfrage lehnen 61 Prozent der Befragten weitere militärische Auslandseinsätze ab, nur 30 Prozent sind dafür. Trotz dieser Umfrage behauptet die FAZ: Das allgemeine Lob für Gaucks Beitrag und die außenpolitische Debatte über Deutschlands internationale Rolle hätten eine bildende, sozusagen eine volkspädagogische Intention gehabt.
Anstatt für Konfrontationspolitik zu werben, hätte Gauck im Interesse der Volkspädagogik etwa anlässlich der 65 Jahr Feier des Grundgesetzes (GG) und besonders wegen des NSA-Skandals zu einer öffentlichen Lesung desselben einladen können. Er hätte bei dieser Gelegenheit darüber aufklären können, was es denn in Artikel 79 mit dem Begriff “besatzungsrechtliche Ordnung” auf sich hat, warum die BRD seit 70 Jahren unter Besatzungsrecht steht und weshalb Artikel 146 die Deutschen auffordert, sich eine eigene Verfassung zu geben.
Fortsetzung folgt
Die Autoren zeichnen ein recht simplifizierendes Weltbild: Die USA können sich Einsätze zur Sicherung der „guten Ordnung“ in der Welt immer weniger leisten und suchen potente Mitstreiter gegen Störenfriede. Deutschland profitiert wie kaum ein anderes Land von der friedlichen, offenen und freien Weltordnung. Gleichzeitig ist es abhängig von deren Funktionieren und verwundbar für die Folgen von Systemstörungen, da es die Nachfrage aus anderen Märkten sowie den Zugang zu internationalen Handelswegen und Rohstoffen brauche. Fazit: Deutschland muss künftig entschiedener militärisch Verantwortung übernehmen.
Zentrale Thesen der Studie fanden auch Eingang in den Koalitionsvertrag der sich gerade konstituierenden neuen Bundesregierung. An den Beratungen war neben Frank-Walter Steinmeier (SPD) auch AB-Young Leader Thomas de Maizière (CDU) beteiligt, der schon als früherer Verteidigungsminister eruieren wollte, wie die Pflicht der parlamentarischen Zustimmung zu deutschen Militärmissionen begrenzt werden könne.
Im letzten Sommer konnte der amtierende Innenminister dann Vollzug vermelden: Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD setzen die „Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr“ ein. Den Vorsitz hat Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) und AB-Mitglied. In einem Gastbeitrag in der FAZ ließ er keinen Zweifel daran, dass er die Kommissionsarbeit im Sinne der neuen Rolle Deutschlands und die Sicherung der Parlamentsrechte als deren Abbau interpretieren werde. Die Ergebnisse der Kommission stehen derzeit an.
Parlaments-Vorbehalt zu Bundeswehreinsätzen soll fallen
Angesichts der strategischen Bedeutung des Themas, kann es als sicher gelten, dass AB-Mitglieder auch die Rollen für ein erfolgreiches öffentliches Agenda-Setting verteilten: Dabei wie gewohnt im Hintergrund die Kanzlerin, Bundespäsident Joachim Gauck übernimmt die Rolle des Provokateurs, um die Stimmung in der Bevölkerung zu sondieren, Unterstützung kommt aus dem Aussen- und Verteidungsministerium, Altkanzler Schmidt besänftigt - wenn nötig - anschließend die Gemüter.
Es ist dann nicht mehr verwunderlich, dass sich zentrale Passagen beziehungsweise Formulierungen der Studie nicht nur in Artikeln Jochen Bittners wiederfinden, der neben FAZ-Redakteur Nikolas Busse schließlich an dem Papier mitgearbeitet hat, sondern auch im Redemanuskript des Bundespräsidenten, für dessen Redaktion Ex-Zeit-Journalist Kleine-Brockhoff zuständig war, der als damaliger GMF-Direktor ebenfalls in die Erarbeitung der Studie involviert war.
Das Forum der 50. Münchner Sicherheitskonferenz Ende Januar 2014 war der perfekte Anlass für Gauck, einer offensiveren Rolle der BRD in der Globalpolitik das Wort zu sprechen: Deutschland sei überdurchschnittlich globalisiert und profitiere deshalb überdurchschnittlich von einer Weltordnung, die Interessen mit Werten verbindet. Aus dem leite sich das wichtigste außenpolitisches Interesse ab: dieses System zu erhalten und zukunftsfähig zu machen. Und gerade weil die USA nicht mehr leisten könnten, müssten Deutschland und seine europäischen Partner für ihre Sicherheit zunehmend selbst verantwortlich sein.
Gauck der Gaukler
Gauck tritt damit für die BRD als „guter Hegemon“ im EU-Zentrum ein, eine Sichtweise zu der sich auch andere AB-Vereinsmitglieder wie Friedbert Pflüger bekennen. Da er seine Rede mit Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen abgestimmt hat, überrascht es nicht, dass beide seine Positionen ergänzen. Während die Verteidigungsministerin den Akzent auf moralische Verantwortung legte, stellte Steinmeier klar: „Deutschland muss bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch entschiedener einzubringen. Der Einsatz von Militär ist äußerstes Mittel.“ Damit war das Thema in der Öffentlichkeit gesetzt und die in der Studie präsentierte transatlantische Weltanschauung zur deutschen Regierungspolitik erklärt.
Auf Verständnis in der Bevölkerung für mehr Militärengagement müssen Gauck und Regierung indes weiter warten, haben Bürger doch erkannt, dasss die Forderung gleichzeitig eine Änderung der militärischen Doktrin der BRD von einer Verteidigungs-, hin zu einer Angriffsarmee bedeutet. Laut einer ARD-Umfrage lehnen 61 Prozent der Befragten weitere militärische Auslandseinsätze ab, nur 30 Prozent sind dafür. Trotz dieser Umfrage behauptet die FAZ: Das allgemeine Lob für Gaucks Beitrag und die außenpolitische Debatte über Deutschlands internationale Rolle hätten eine bildende, sozusagen eine volkspädagogische Intention gehabt.
Anstatt für Konfrontationspolitik zu werben, hätte Gauck im Interesse der Volkspädagogik etwa anlässlich der 65 Jahr Feier des Grundgesetzes (GG) und besonders wegen des NSA-Skandals zu einer öffentlichen Lesung desselben einladen können. Er hätte bei dieser Gelegenheit darüber aufklären können, was es denn in Artikel 79 mit dem Begriff “besatzungsrechtliche Ordnung” auf sich hat, warum die BRD seit 70 Jahren unter Besatzungsrecht steht und weshalb Artikel 146 die Deutschen auffordert, sich eine eigene Verfassung zu geben.
Fortsetzung folgt
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